Mitten durch Deutschland, von der Ostseeküste bei Lübeck bis in den Raum Hof in Bayern, zog sich eine rund 1393 Kilometer lange Grenze. Sie durchschnitt Ortschaften, trennte Familien, unterbrach Verkehrswege und zerstörte einheitliche Wirtschaftsräume ebenso wie historisch gewachsene regionale und politische Einheiten.
Der Grenzbereich zwischen Schleswig-Holstein und Mecklenburg erstreckte sich auf eine Länge von ca. 136 Kilometern. Lübeck lag als einzige deutsche Großstadt direkt an der Trennlinie zwischen West und Ost bzw. den Machtblöcken NATO und Warschauer Pakt. Durch die Teilung Deutschlands in Besatzungszonen verlor die Hansestadt Lübeck nach Ende des Zweiten Weltkriegs einen großen Teil ihres "Hinterlandes".
Das nachfolgend Gezeigte möchte Ihnen einige informative Einblicke in den ehemaligen Grenzraum Lübeck geben. Viele Bilder wurden von mir selbst gemacht und/oder stammen - sofern nicht anders vermerkt - aus der Sammlung des Zollkommissariats Lübeck-Süd, dessen Angehöriger ich von 1983 bis 1990 war. Luftbildaufnahmen wurden aus einem Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes (BGS) gefertigt.
Der seinerzeit von der Grenzschutzabteilung Küste 1 und vom Zollkommissariat Lübeck-Süd zu überwachende Grenzabschnitt begann an der Ostseeküste beim Priwall und endete an der Nordspitze des Ratzeburger Sees bei Rothenhusen.
Die hier präsentierten Bilder / Karten / Grafiken zeigen diesen Raum bis auf wenige Ausnahmen von Nord (Ostsee) nach Süd (Richtung Ratzeburger See). Falls Sie davon etwas für Ihre Zwecke öffentlich verwenden möchten, kontaktieren Sie mich bitte über Mail mkrelle@t-online.de
Wenn Sie sich genügend Zeit nehmen und das Gezeigte näher betrachten (die Bilder können größtenteils durch Anklicken vergrößert werden), offenbaren sich Ihnen eine Fülle von Informationen.
Wo im hiesigen Grenzbereich die Beobachtungstürme der DDR-Grenztruppen standen und welcher Art sie waren, können Sie dem Publizierten entnehmen. Wo einst die Minen lagen und welche Minentypen verlegt worden sind – auch „das" und Vieles mehr ist zu erfahren.
Mindestens 15 Menschen verloren an der innerdeutschen Grenze im Raum zwischen der Ostsee bei Pötenitz und dem Ratzeburger See ihr Leben. Wie sie hießen und welche Umstände zu ihrem Tod führten, werden Sie wissen, wenn Sie den auf dieser Homepage genannten „Links" (zur Freien Universität Berlin) folgen.
Und wenn es Sie interessiert, "wie" sich der Dienst an der Grenze zur DDR für einen Angehörigen des bundesdeutschen Grenzzolldienstes gestaltete, auch dann sind Sie hier „richtig".
Einen "historischen Rückblick" auf jene Ereignisse, die zur Teilung Deutschlands führten, finden Sie an dieser Stelle nicht. Darüber ist bereits viel geschrieben und veröffentlicht worden, so dass ich um Verständnis dafür bitte, dass ich von einer "geschichtlichen Einleitung" absehe.
Priwall 1985
Grenzkarte
Priwall
Auf dem Priwall beginnt unsere "Reise" entlang der damaligen innerdeutschen Grenze. Die drei Kilometer lange Halbinsel, die im Norden von der Ostsee, im Westen von der Trave und im Süden von der Pötenitzer Wiek umschlungen ist, gehört seit 1226 zum Ortsteil Travemünde der Hansestadt Lübeck.
2014
Nach Kapitulation der Deutschen Wehrmacht und der Teilung Deutschlands in Besatzungszonen mussten sich auch die „Priwallaner" mit der neuen „Situation" arrangieren. Der Landweg nach „Osten" war nun wegen der „Zonengrenze" gesperrt. Für den Zugang nach Lübeck mussten jetzt Fähren zwischen der Travemünder- und der Priwall-Seite benutzt werden.
1985
oben: Auf dem 1985 aufgenommenen Foto sind u.a. der beim Priwall-Strand stehende viereckige Beobachtungsturm der DDR-Grenztruppen und das dortige "Holzpodest" zu erkennen. Unweit von hier, ca. 600 Meter südlich des Ostseestrandes, wurde am 27.11.1952 Frau Elsbeth Jurkowsky erschossen. Nähere Informationen auf der Webseite der Freien Universität Berlin unter http://www.fu-berlin.de/sites/fsed/Das-DDR-Grenzregime/Biografien-von-Todesopfern/Jurkowsky_Elsbeth/index.html
um 1985
An der Grenze beim Priwall-Strand. Rechts, auf bundesdeutscher Seite, genießen Menschen die Sonne und das Meer. Ein paar Meter weiter östlich herrscht "gähnende Leere". Jenseits der Grenze, auf DDR-Gebiet, sind bestimmte Angehörige der DDR-Grenzsicherungsorgane in diesem Raum die einzigen Leute, die sich hier im Grenzbereich an der Ostsee aufhalten dürfen. Untere und obere Richtbake bei der Grenzlinie sind in diesem Bild gut zu erkennen (Fotosammlung Gerd Wilcken BUNDESGRENZSCHUTZ).
Priwall
oben: Grenzbereich beim Priwall (Fotosammlung Gerd Wilcken, BUNDESGRENZSCHUTZ)
2014
oben: der damalige Grenzbereich beim Priwall-Strand im Jahr 2014. Herr Karsten Eckermann hat einen interessanten Film veröffentlicht unter https://www.youtube.com/watch?v=Dt-9Li9CYAc
Grenze Priwall
Obwohl auf den Verlauf der Grenze deutlich sichtbar hingewiesen wurde - u.a. durch diverse Schilder HALT HIER GRENZE und eine von den Dünen bis ins Wasser reichende rot-weiße Kette (siehe obiges Foto aus dem Jahr 1977) - überquerten auch hier immer wieder Menschen die Grenzlinie und begaben sich auf DDR-Gebiet. Bundesgrenzschutz und Zoll berichteten in ihren monatlichen "Lagen" davon. Betreffend August 1986 und Juni 1987 hielt man u.a. schriftlich fest:
8/1986
6/1987
Vorbildlich verhielt sich im August 1987 ein Surfer, dem das Segel auf DDR-Gebiet geweht war. Statt nach "drüben" zu gehen und das Segel zu holen, bat er bundesdeutsche Grenzüberwachungsorgane um Hilfe. Mit Erfolg:
Vermerk zu obigen Zeilen: "GIP" bedeutet "Grenzinformationspunkt". Eine Art "lokale Standleitung" zwischen Grenzdienststellen auf ost- und westdeutscher Seite. In erster Linie dafür angelegt, um sich bei Unglücksfällen sehr schnell miteinander verständigen zu können. Insgesamt 14 "GIP" wurden an der innerdeutschen Grenze bzw. bei den Grenzübergängen installiert. Ihr "Gebrauch" war streng geregelt. Die Funktionsfähigkeit wurde täglich überprüft. Die Abkürzung "GrSo" steht für "Grenzsoldaten".
GIP
Schusswaffen-Gebrauch
Video
oben: Bildausschnitt aus einem Modell, welches jahrelang an der innerdeutschen Grenze auf dem Priwall stand und welches sich heute in der Grenzdokumentations-Stätte Lübeck-Schlutup befindet
19.04.2019
oben und unten: Gedenkstein und Informationstafel auf dem Priwall in Höhe der damaligen innerdeutschen Grenze. Bei entsprechender Vergrößerung des Bildes unten ist der Text lesbar.
19.04.2019
Priwall
oben bzw. unten: Schild bzw. Textauszug. Das Schild steht an der ehemaligen innerdeutschen Grenze am Priwall-Strand. Aufnahme vom 19.04.2019
8/2019
7 Tonnen markierten die Seegrenze vom Priwall in Richtung Ostsee. Die gelben Grenztonnen "Grenze 1, 2, 5 und 7" hatten eine Befeuerung (Leuchttonnen mit gelbem Blitz). Die gelben Grenztonnen "Grenze 3, 4 und 6" waren unbefeuerte Bakentonnen. Das im Bild zu sehende Seezeichen - die Tonne "3" -befindet sich heute beim Kontrollturm der Verkehrszentrale Travemünde des WSA Lübeck. Nähere Informationen hier: http://baken-net.de/travemuende_grenzbaken.htm
oben:"Glück" gehabt hatte die Besatzung dieser Yacht. Was wäre wohl geschehen, wenn keine bundesdeutschen Grenzüberwachungsorgane in der Nähe gewesen wären?
September 1988
oben: "Pech" gehabt hatte damals jener Bootsführer - die "Sachanfrage" beim Grenzschutz-Amt Flensburg ergab, dass die Yacht gestohlen war! Der mutmaßliche "Straftäter" wurde daraufhin der WSP (Wasserschutzpolizei) übergeben.
oben: Im Bereich der Lübecker Bucht registrierten Bundesgrenzschutz und Zoll zahlreiche "Nichtbeachtungen des Grenzverlaufs". Dass die Bootsbesatzungen sich jedoch bis direkt ans mecklenburgische Ufer (in diesem Fall bei Barendorf) begaben, kam nicht sehr oft vor. Wie es heute beim Strand von Barendorf aussieht, zeigen die am 8.7.2017 aufgenommenen folgenden vier Fotos:
bei Barendorf
bei Barendorf
bei Barendorf
bei Barendorf
oben: Es ist gegen 16.15 Uhr des 8.7.2017, als ich mich am Strand der Ostsee bei Barendorf befinde. Ich schaue nach „drüben", in Richtung Lübeck-Travemünde. Niemals zuvor in meinem Leben war ich dort, wo ich nun stehe. Für einige Augenblicke lasse ich mich "fallen". Und ich versuche, mich in die Zeit vor der "Wende" und einen Menschen, der in der DDR geboren wurde, zu versetzen. Ob vielleicht auch ich vom Wunsch beseelt gewesen wäre, die Deutsche Demokratische Republik zu verlassen? Und wenn ich es nun bis hierhin geschafft hätte, wie wäre es „weiter" gegangen? Ob ich es tatsächlich gewagt hätte, in die Ostsee zu gehen? Hätte mich die niedrige Temperatur des Wassers zur Strecke gebracht, wären es meine begrenzten körperlichen Kräfte gewesen? Oder hätten Einheiten der Grenzbrigade Küste / Volksmarine / DDR-Grenztruppen meine Flucht entdeckt und entsprechende „Maßnahmen" eingeleitet? Ich sehe das Hotel „Maritim" in Lübeck-Travemünde. „Drüben" ist so nah – und doch so fern! Und ich denke an all Jene, die damals ihr Leben verloren, beim Versuch „westwärts" zu gelangen. Die Ostsee wurde für viele Menschen zum Grab. Ob gegen Ende des Zweiten Weltkriegs oder zu Zeiten des „Kalten Kriegs". Sie alle dürfen niemals vergessen werden.
Zum Gedenken
unten: Trotz der großen Gefahren wagten immer wieder DDR-Bürger die Flucht über die Ostsee in die Freiheit. Zoll und Bundesgrenzschutz nahmen jeden bekannt gewordenen Fall (beispielhaft genannt sind die nachfolgend genannten Fluchten) in die monatliche "Grenzlage" auf.
1963
1963
1964
1984
1986
oben: im Jahr 1986 floh der Neffe des bekannten DDR-Fernsehkommentators Karl-Eduard von Schnitzler („Der schwarze Kanal") mit einem kleinen Schlauboot aus der Deutschen Demokratischen Republik. Auf der Ostsee wurde er von einer westdeutschen Schiffsbesatzung aufgenommen und gerettet.
Das kleine Fluchtboot ist heute (Stand: 13.08.2019) in der Grenzdokumentations-Stätte Lübeck-Schlutup ausgestellt.
1987
1988
1988
Buch-Empfehlung
oben: Wer sich für das Thema "Flucht über die Ostsee" interessiert, dem möchte ich das von Christine Vogt-Müller verfasste Buch "Hinter dem Horizont liegt die Freiheit" empfehlen.
Auch das Buch "Zwischen Stacheldraht und Strandkorb - DDR-Alltag an der Lübecker Bucht" von Dorian Rätzke beinhaltet viele nützliche und interessante Informationen. Sehr lesenswert!
Buch-Empfehlung
Ostsee-Grenzturm
oben und unten: dieser Beobachtungsturm steht in Kühlungsborn und kann besichtigt werden. Nähere Infos unter www.ostsee-grenzturm.com
BT 11
oben: Kontrollstelle der DDR-Volkspolizei in Höhe der Mülldeponie bei Schönberg. Eine Kontrollstelle ähnlichen Aufbaus gab es auch zwischen Dassow und Holmer Wald (Foto: Karsten Pelzer)
oben: beim Klicken auf das Bild öffnet sich eine PDF-Datei. Es werden dort einige Einträge gezeigt, welche von einem damaligen Angehörigen der Deutschen Grenzpolizei gemacht wurden (1959 / 1960). Auch der Bereich beim Priwall wird in den "Arbeitsbüchern" erwähnt.
Richtbake
Foto oben: Die untere Richtbake an der Grenze beim Priwall-Strand (fotografiert am 03.02.1990). Nähere Informationen zu den Richtbaken hier: http://baken-net.de/travemuende_grenzbaken.htm
Priwall 3.2.1990
3.2.1990
3.2.1990
3.2.1990
3.2.1990
3.2.1990
oben: Grenzöffnung am Priwall-Strand, 3.2.1990. Fotosammlung Gerd Wilcken, BUNDESGRENZSCHUTZ
3.2.1990
3.2.1990
3.2.1990
oben: auch das Bundesgrenzschutz-Boot SCHLUTUP war am 3.2.1990 vor Ort bzw. in der Ostsee in Höhe Priwall. Im Bild ist ferner das Fahrgastschiff RUDOLF KINAU (jetzt den Namen HANSEAT tragend) zu sehen
oben: Grenzbereich an der Pötenitzer Wiek im Jahr 1965 (Fotosammlung Gerd Wilcken, BUNDESGRENZSCHUTZ). Bis in die 1970er Jahre hinein war von Westen der Zugang zum Ufer der Pötenitzer Wiek nicht möglich, da dieser Bereich bereits zur DDR gehörte. Auf der Halbinsel Priwall war hier in diesem Raum ein großes Hinweisschild, das den Zugang untersagte.
Die deutsch-deutsche Grenzkommission stellte fest, dass ein altes Wasser- Landrecht, wohl aus dem Mittelalter stammend, existierte. Dieses Recht besagte sinngemäß: wem das Wasser gehört, dem gehört auch das Land.
Da die Pötenitzer Wiek, der Dassower See und die Trave zur Bundesrepublik gehörten, musste die DDR einen ca. zwei Meter breiten Uferstreifen bis hin zum Grenzübergang Selmsdorf abtreten.
Das hatte zur Folge, dass man am Ostufer vom Priwall bis in den Raum Dassow marschieren konnte, wenn kein Hochwasser war. Bundesgrenzschutz und Zoll patrouillierten dort gelegentlich zu Fuß entlang, zumeist wurde dieser Grenzbereich aber mit Booten, z.B. mit dem Zollboot BUCHHORST, bestreift.
Pötenitzer Wiek
Erklärungen zu den Karten oben und unten: 01 = Grenze am Priwall-Strand / 51 = Holzpodest der DDR-Grenztruppen / 52 = Beobachtungsturm viereckig (BTv) der DDR-Grenztruppen / 53 = Beobachtungsbunker der DDR-Grenztruppen / 54 = Beobachtungsturm BTv (Führungsstelle) der DDR-Grenztruppen / 55 = Beobachtungsbunker der DDR-Grenztruppen / 56 = Beobachtungsbunker der DDR-Grenztruppen / 57 = Beobachtungsturm BT(r) bei Einfahrt zum Dassower See / 58 = Beobachtungsbunker südöstlich Volkstorf / 59 = Beobachtungsturm (BTv) der DDR-Grenztruppen nordwestlich Dassow / 60 = Beobachtungsbunker der DDR-Grenztruppen westlich Dassow / 61 = Beobachtungsturm (BTv) der DDR-Grenztruppen westlich Dassow / 62 = Beobachtungsturm BTv (Führungsstelle) der DDR-Grenztruppen südwestlich Dassow / 63 = Beobachtungsturm BT(r) der DDR-Grenztruppen nordöstlich Zarnewenz / 64 = Beobachtungsturm BTv der DDR-Grenztruppen östlich Teschow
Dezember 1987
Unten: DDR-Beobachtungstürme aus Beton an der innerdeutschen Grenze im Raum bei Pötenitzer Wiek / Dassower See. Wo sie sich befanden und welcher "Art" diese im September 1986 waren, verdeutlicht die Grafik
September 1986
Dassow
Dassow
oben: Blick von der Trave in Richtung Dassow am 15.06.2020
bei Zarnewenz
oben: DDR-Beobachtungsturm im Bereich des Dassower Sees unweit Teschow
Zollboot BUCHHORST
In der Pötenitzer Wiek, im Dassower See und der Trave bis in die Schlutuper Wiek Höhe Seglerheim wurde das Zollboot BUCHHORST eingesetzt. Das Dienstboot hatte Jetantrieb und wurde von Beamten des Landzolldienstes, nicht des Wasserzolldienstes, gefahren. Es wurde im Juli 1979 der Grenzaufsichtsstelle (GASt) Priwall (zugehörig zum Hauptzollamt Lübeck-Ost, Zollkommissariat Lübeck-Süd) als Neubau zugewiesen (Fotosammlung Joachim Galonska).
Zollboot BUCHHORST
Zollboot BUCHHORST
Zollboot BUCHHORST
Zollboot BUCHHORST
Zollboot BUCHHORST
Zollboot BUCHHORST
oben und unten: DDR-Grenzsoldaten im Raum Pötenitzer Wiek / Dassower See. Von Bord des Zollboots BUCHHORST aus fotografiert im Jahr 1981. Fotosammlung Joachim Galonska.
oben: Ausschnitt aus einem im Grenzhus Schlagsdorf befindlichen Grenzmodell
1982
oben: Angehörige der GASt A Lübeck, Zollanwärter, unweit eines Beobachtungsbunkers der DDR-Grenztruppen an der Pötenitzer Wiek
DDR-Grenzsperranlagen
Oben: Bundesgrenzschutz (BGS) und Zoll erstellten jeden Monat diverse Statistiken. Zu ihnen gehörte auch jene Auflistung der DDR-Grenzsperranlagen, welche sich im Bereich gegenüber der Grenzschutzabteilungen (GSA) Küste 1, 2 und 3 bzw. der für den Zoll zuständigen Oberfinanzdirektion Kiel befanden.
bei Pötenitz
bei Pötenitz
oben und unten: Beobachtungsturm (Führungsstelle der DDR-Grenztruppen) bei Pötenitz. Obere Aufnahme entstand im Jahr 1985, untere Fotografie am 7.8.2019.
bei Pötenitz
bei Pötenitz
bei Pötenitz
Pötenitz
oben: Das im Jahr 1985 aufgenommene Farbfoto zeigt die Einfahrt von der Pötenitzer Wiek in den Dassower See. Mancher "Republikflüchtige" schaffte es hier oder in der näheren Umgebung, die Grenzsperranlagen der DDR zu überwinden und in den Dassower See - den "Westen" - zu gelangen. Fischerboote oder Kräfte des Zolls/BGS nahmen diese Leute dann auf und brachten sie in Sicherheit.
oben: Beobachtungsturm / Führungsstelle. Rechts führt der Kolonnenweg in Richtung Priwall (ca. 1 km Entfernung). Foto: Karsten Pelzer
Dassow
oben: Wer glaubt, dass es eine "Mauer" nur in Berlin gab, irrt - es existierten auch entlang der innerdeutschen Grenze Abschnitte, wo eine Mauer stand (vielfach aus Sichtschutzgründen), so auch bei Dassow. Die Bewohner dieser Ortschaft mussten viele Jahre lang mit "ihr" und den anderen Grenzsperranlagen leben.
Dassow
12/1987
Dassow
2014
oben: bereits kurze Zeit nach dem "Mauerfall" bzw. der Grenzöffnung wurde im hiesigen Grenzbereich mit dem Abbau von DDR-Grenzsperranlagen begonnen. Am 27.11.1989 starteten die Arbeiten mit der Demontage der Y-Abweiser und der Signaldrähte am GSSZ (Grenzsignal- und Sperrzaun)
südwestl. Dassow
Zum obigen Bild einige Zeilen eines ehemaligen DDR-Grenzsoldaten: „Ich war als Grundwehrdienst-Leistender vom Herbst 1978 an ein Jahr als Grenzer der DDR in Selmsdorf stationiert. Im Sommer 1979 gab es einen versuchten Grenzdurchbruch eines jungen Pärchens. Ich weiß, dass der versuchte Durchbruch an einem Nachmittag gegen 16 Uhr stattfand und dass es Sommer war, aber genauer eingrenzen kann ich es zeitlich nicht. Räumlich würde ich sagen, es war von Selmsdorf kommend etwa einen Kilometer vor Dassow. Ich kann mich da sicher um ein oder zwei Kilometer vertun, aber in dem Bereich vor Dassow geschah es. Die ganze Geschichte ist sehr bizarr abgelaufen. Beispielsweise lief das Paar an der Chaussee nach Dassow entlang und wurde von unserer zum Grenzdienst ausrückenden Kompanie mit „EK-Takt-Schlagen“ auf dem LKW und lautem Gejohle (hübsche junge Frau sichtbar!) überholt. Ich saß an der Klappe hinten auf einem LKW (Robur) LO und sah die beiden Erschrockenen - das fiel mir doch unterbewusst auf - bei bestem Wetter die Straße entlanggehen. Dass dies potentielle Flüchtlinge sein könnten, nahm keiner an. Die „Dreistigkeit“ erwartete niemand - auch unsere Offiziere nicht, die ja vorn und in der Kolonne in ihren Jeeps fuhren. Das Pärchen nahm sich etwa zwei-drei Stunden später von einem Bauernhof eine Leiter und versuchte in etwa 100 bis 150 Meter Entfernung zu einem Grenzturm, es handelte sich um die Führungsstelle, den Grenzzaun zu erreichen. Das war verrückt! Natürlich war in dem Augenblick Alarm ausgelöst, als sie die Leiter an den hinteren (Signal)Zaun legten. Von dort waren es etwa 200 m über freies Gelände bis zum zweiten Zaun, dem entscheidenden 3 Meter hohen Grenzzaun. Es gelang ihnen jedoch diesen mit ihrer Leiter zu erreichen, da der Unteroffizier vom Turm aus zwar alle Magazine leerschoss - aber nicht gezielt! Ich weiß nicht mehr, ob wir damals drei oder vier Magazine pro Mann im Grenzdienst hatten. Jedes Magazin hatte 30 Schuss. Der Unteroffizier schoss seine Magazine und die seines Postens leer. Es waren also mindestens 180 und maximal 240 Schuss, die ich im Hinterland sitzend hörte.
Der Unteroffizier holte sie dann aber mit seiner „leeren“ MPi aus dem Wasser zurück, in dem sie nach Überklettern des Zaunes bereits bauchtief standen, anscheinend schon auf Westterritorium, als er sie erreichte“.
Die Flucht fand ca. 150 m links der Führungsstelle bei Zarnewenz statt. Offizielle Version (damals): Der Unteroffizier schoss Sperrfeuer ( also „vorhaltend“ ) und verhinderte so den Grenzdurchbruch. Der Unteroffizier wurde belobigt und erhielt eine Auszeichnung.
südwestl.Dassow
Bei diesem in den beiden oberen Bildern (das untere stammt aus der Sammlung von Karsten Pelzer) zu sehenden Beobachtungsturm (BT) der DDR-Grenztruppen südwestlich Dassow handelte es sich um einen "Führungspunkt" / "FP" (Bezeichnung bei westdeutschen Grenzüberwachungsorganen) bzw. um eine "Führungsstelle" / "FÜSt" (Bezeichnung bei Grenzüberwachungsorganen der DDR). Diese BT wurden zur Koordination und Führung des jeweiligen Grenzabschnitts als Teil der Grenzsperranlagen entlang der innerdeutschen Grenze errichtet. Der Turm einer Führungsstelle wurde aus quadratischen Betonfertigteilen (4 x 4 m Grundriss) gefertigt. Hier liefen die Alarme aus den Grenzabschnitten auf und von hier aus wurde die "Alarmgruppe" zur weiteren Unterstützung der Grenzposten vor Ort in Bewegung gesetzt. Durch den zuständigen Kommandeur der Grenzsicherung (KGSi) wurden Maßnahmen eingeleitet und koordiniert.
2014
2019
oben und unten: die ehemalige Führungsstelle der DDR-Grenztruppen südwestlich Dassow. Aufnahmen vom 7.8.2019
2019
2019
2019
Erklärungen zu obiger Karte: 65 = Beobachtungsturm (rund) / BT(r) der DDR-Grenztruppen nordwestlich Teschow / 66 = BT(r) der DDR-Grenztruppen südwestlich Teschow / 67 = BT(r) der DDR-Grenztruppen nordwestlich Selmsdorf / 06 = Parkplatz Stülper Huk. Stand: September 1986. Der runde BT "65" wurde später durch einen viereckigen BT ersetzt.
In diesem Grenzbereich verlor am 25. September 1950 der am 27.11.1929 in Lübeck geborene Herbert Muhs sein Leben. Mit einem Schlauchboot paddelte er bei Dummersdorf über die Trave, um bei Bauern auf der Ostseite Lebensmittel zu besorgen. Am mecklenburgischen Ufer angelangt, entdeckten ihn DDR-Grenzposten und eröffneten das Feuer, als er zu flüchten versuchte. Nähere Informationen auf der Webseite der Freien Universität Berlin unter http://www.fu-berlin.de/sites/fsed/Das-DDR-Grenzregime/Biografien-von-Todesopfern/Muhs_Herbert/index.html
Herbert Muhs
oben: Grenzabschnitt 1 bei Teschow: Flucht zweier DDR-Bürger in die Bundesrepublik Deutschland am 3.8.1986. Beide kehrten etwas später wieder in die DDR zurück.
oben: diese Karte (Quelle: Museum der Bundespolizeiakademie in Lübeck) zeigt den Verlauf der Grenze (rot). "Blau" markiert ist der Verlauf des Metallgitterzauns, "grün" der Verlauf des Schutzstreifen- bzw. Grenzsignalzauns. Die Markierung in "weißer Farbe" verdeutlicht den Beginn der "Sperrzone" bzw. des "Sperrgebiets"
oben: Ausschnitt aus einer alten Karte. Rot markiert ist der Verlauf der Grenze zur DDR im Raum Lübeck-Schlutup bzw. der Schlutuper Wiek. Siehe hierzu auch die folgenden Fotos aus diesem Grenzbereich. Am 23.07.1956 ereignete sich in diesem Raum ein tödlicher Grenzzwischenfall. Erich Bebensee hieß jener Mann, der die DDR verlassen wollte und sich bereits in der Schlutuper Wiek und damit auf Bundesgebiet befand, als er von DDR-Grenzpolizisten erschossen wurde. Nähe Informationen auf der Webseite der Freien Universität Berlin unter http://www.fu-berlin.de/sites/fsed/Das-DDR-Grenzregime/Biografien-von-Todesopfern/Bebensee_Erich/index.html
oben: Beamter des Bundesgrenzschutzes blickt in Richtung eines DDR-Beobachtungsturmes bei der Schlutuper Wiek (Fotosammlung Gerd Wilcken BUNDESGRENZSCHUTZ)
oben: BT 11 bei der Schlutuper Wiek (Fotosammlung Gerd Wilcken BUNDESGRENZSCHUTZ)
oben: alter und neuer Beobachtungsturm der DDR-Grenztruppen bei der Schlutuper Wiek (Fotosammlung Gerd Wilcken BUNDESGRENZSCHUTZ)
oben: BT 11(r) bei der Schlutuper Wiek hat ausgedient und liegt "flach" (1990) - Fotosammlung Gerd Wilcken BUNDESGRENZSCHUTZ
oben: Blick vom DDR-Beobachtungsturm "Rotes Haus" (siehe Punkt "69" auf der nachfolgenden Karte) in Richtung Schlutuper Wiek (Foto: Sammlung Grundmann, Grenztruppen der DDR)
oben: Erklärungen zu obiger Karte: 68 = Beobachtungsturm BTv Führungsstelle der DDR-Grenztruppen nordöstlich GÜSt Selmsdorf / 69 = Beobachtungsturm BT(r) nördlich GÜSt Selmsdorf / 70 = Beobachtungsturm BTv (Führungsstelle) nördlich Lauen / 71 = Beobachtungsbunker der DDR-Grenztruppen nördlich Lauen / 72 = Beobachtungsturm BT(r) westlich Lauen / 73 = Beobachtungsturm BTv der DDR-Grenztruppen südwestlich Lauen
oben: der Grenzraum bei der Grenzübergangsstelle (GÜSt) Selmsdorf zu Beginn der 1970er-Jahre
1953
oben: GÜSt Selmsdorf Anfang der 1970er-Jahre
oben: GÜSt Selmsdorf Anfang der 1970er-Jahre
oben: Ende der 1960er-Jahre: Links ist das Gebäude der Grenzkompanie Selmsdorf zu sehen. Rechts davon, an der Straße, das ehemalige Forsthaus. Hier waren zu früherer Zeit russische Grenzposten und die Deutsche Grenzpolizei untergebracht.
oben: Antennenanlagen bei Selmsdorf Mitte der 1980er-Jahre . Im unteren Teil des Bildes ist unten links ein "Prayer Wheel" zu sehen. Auf dem Gittermast ist ein Rundstrahler (NATO-Code: "Broom Stick") zu erkennen. Antenne Rundstrahler, DDR-Bezeichnung: UAZ 771. Für den Bereich 0,7m. Funktechnik UFT 700er-Serie. Verschiedene Ausführungen von Yagi-Antennen, am Gittermast wie an den Antennenträgern, für die entsprechenden M-Bereiche, ebenso Breitbandantennen. Ausgerichtet in die entsprechenden Abstrahlrichtung der Gegenseite.
GÜSt Selmsdorf
oben: Grenzraum Lübeck-Schlutup / Selmsdorf im Jahr 1985. Im Hintergrund ist die GÜSt Selmsdorf zu sehen
GÜSt Selmsdorf
oben: von einem Angehörigen der DDR-Grenzorgane fotografiert - die Grenzübergangsstelle (GÜSt) Selmsdorf. Sammlung Ulrich, Grenztruppen der DDR
oben: dass DDR-Grenzsoldaten mit einem Panzerabwehrgeschütz (hier: SPG 9) auf dem betonierten Kolonnenweg (bKW) unterwegs waren, gehörte nicht zum Alltag an der innerdeutschen Grenze
oben: Grenzkarte Bereich bei der Grenzkontrollstelle Schlutup / GÜSt Selmsdorf
oben: beim Grenzübergang Lübeck-Schlutup /Selmsdorf (Juni 1967)
oben: beim Grenzübergang Lübeck-Schlutup/Selmsdorf (Juni 1967)
1960
oben: Zur Zeit der Öffnung des Grenzübergangs zwischen Lübeck-Schlutup und Selmsdorf (1.3.1960) verwendeten die vor Ort eingesetzten Beamten der Bundeszollverwaltung dieses Fahrzeug mitsamt Anhänger für die Grenzabfertigung. Die im nachstehenden Bild zu sehende 1961 gebaute Baracke, welche dann von Zoll und Bundesgrenzschutz / Grenzschutzeinzeldienst für die Grenzabfertigung genutzt wurde, war da schon etwas "komfortabler".
Selmsdorf
oben und unten: bei der GÜSt Selmsdorf im Jahr 1970 - Fotos: Jochen Leuschel
Selmsdorf
1960
Als das oben gezeigte Foto entstand (um 1970), mussten sich die westdeutschen Grenzbeamten, welche die Grenzabfertigung/Grenzkontrolle am Grenzübergang Lübeck-Schlutup /Selmsdorf vornahmen, noch mit einer behelfsmäßigen Unterkunft begnügen (siehe den markierten Bereich im Bild). Später wurde eine neue Grenzkontrollstelle errichtet - dort, wo sie entstand (siehe nachstehendes Bild), befindet sich heute die Grenzdokumentations-Stätte Lübeck-Schlutup.
um 1970
Lübeck-Schlutup
oben: das sogenannte "weiße Haus", welches direkt an der innerdeutschen Grenze zwischen Lübeck-Schlutup und Selmsdorf steht. Der Fotograf (Jochen Leuschel) befand sich zu dieser Zeit (irgendwann zwischen 1968-1970) auf DDR-Gebiet zwecks Aufstellung von DDR-Propaganda-Schildern.
oben: anlässlich der Einweihung / der Inbetriebnahme des neuen Gebäudes der Grenzkontrollstelle Lübeck-Schlutup am 30.11.1979 schauen Finanzpräsident Radomski und Oberfinanzpräsident Hansen einer für den Bundesgrenzschutz (BGS) bzw. den Grenzschutzeinzeldienst (GSE) tätigen Mitarbeiterin bei ihrer Arbeit zu. Die Dame hat Zugang zur DASTA, der Daten- und Auskunft-Station der Polizei des Bundes.
Einträge im Gästebuch der Grenzdokumentations-Stätte Lübeck-Schlutup
1979
1981
oben: Grenzkontrollstelle Lübeck-Schlutup im März 1981
Grenzkontrollstelle Lübeck-Schlutup
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurden alle Straßen- und Bahnlinien an der "SBZ-Demarkationslinie" im Raum Schleswig-Holstein geschlossen. Ausnahme: Der Landstraßenübergang Lübeck-Schlutup /Selmsdorf. Dieser wurde durch britische und sowjetische Truppen bis zum 15.07.1947 für den Durchgangsverkehr offen gehalten
15.7.1947 a.) Übergang Lübeck-Schlutup geschlossen
b.) Öffnung des Straßenübergangs Lübeck-Eichholz
20.5.1949: Zollgrenzdienst übernimmt Sicherung der Demarkationslinie unter britischer Aufsicht
15.9.1949: Errichtung GKSt Lübeck-Eichholz, bis dahin Wahrnehmung der Aufgaben durch Grenzaufsichtsdienst (des Zolls)
1.3.1960: Errichtung der GKSt Schlutup als nördlichster Übergang an der Grenze zur DDR 1961: Baracke als Provisorium für Zollabfertigung und Grenzschutz-Einzeldienst gebaut
August 1972: Inbetriebnahme der neuen Abfertigungsanlagen GÜSt Selmsdorf (DDR)
1973: Büro-Container aufgestellt
1973/1974: Entscheidung des Bundesfinanzministeriums über Neubau nach Inkrafttreten des Grundlagenvertrages
1976: endgültige Baugenehmigung
30.11.1979: Einweihung der Grenzkontrollstelle Schlutup um 11.00 Uhr
1976/1977
Unten: Zur Geschichte von Lübeck-Schlutup bzw. der dortigen Grenzkontrollstelle ein interessanter Artikel von Horst Nawroth, seinerzeit veröffentlicht im Gewerkschaftsmagazin 2/1962 "Der Zollbeamte zwischen Nord-und Ostsee"
1959
oben: aus den Lübecker Nachrichten Nr. 80 vom 7.April 1959
2014
oben: Video "Grenzöffnung November 1989 bei Lübeck-Schlutup". Zum Abspielen des Videos obiges Bild anklicken.
oben: In den Tagen nach der Grenzöffnung staute sich der Verkehr in Richtung Bundesrepublik Deutschland auch beim Grenzübergang Selmsdorf / Lübeck-Schlutup auf einer Länge von vielen Kilometern. Zigtausende DDR-Bürger hatten sich aufgemacht, um von den "Reiseerleichterungen" Gebrauch zu machen. Obiges Bild wurde am 12.11.1989 aus einem Hubschrauber des BGS gefertigt und zeigt einen kleinen Teil der augenscheinlich unendlichen Wagenkolonne aus "Trabis", Wartburgs etc. (Fotosammlung Gerd Wilcken BUNDESGRENZSCHUTZ)
oben und unten: Grenzübergang Lübeck-Schlutup am 12.11.1989 (Fotosammlung Gerd Wilcken BUNDESGRENZSCHUTZ)
Video
oben: Video zum 25. Jahrestag der Grenzöffnung beim Grenzübergang Lübeck-Schlutup (Bild anklicken)
September 1988
oben und unten: Neubau eines Intershops unweit der GÜSt Selmsdorf im September 1988
September 1988
2014
oben: Lübeck-Schlutup und (oben rechts) das Gewerbegebiet in Selmsdorf im Jahr 2014. Von der ehemaligen Grenzübergangsstelle (GÜSt) ist nichts mehr vorhanden/zu sehen.
2014
oben und unten: Grenze beim "Voßbergbogen" im Raum Lübeck-Schlutup. Der Grenzpfad unweit der Grenzlinie ist zu erkennen. Fotosammlung Gerd Wilcken, BUNDESGRENZSCHUTZ
Im Bereich südlich des Grenzübergangs Lübeck-Schlutup wurde für die Streifen des Bundesgrenzschutzes (BGS) und Zolls um 1971/72 ein schmaler Pfad von Pionieren des BGS angelegt. Dieser Streifenweg war nach seiner Fertigstellung teilweise um 50 cm - 150 cm auf DDR-Gebiet befindlich, ohne dass Grenztruppen der DDR oder die westdeutschen Grenzüberwachungsorgane das ahnten/wussten. Erst als die gemeinsame Grenzkommission den hiesigen Grenzabschnitt neu vermaß, wurde der „Irrtum“ erkannt. Der Grenzpfad und die Zäune der hier befindlichen Schlutuper Grundstücke mussten daher nach „Westen“ verlegt werden. Das sorgte für Probleme: Für die (Erst-) Anlegung des Grenzpfads mussten damals alle Grenzanwohner einen Teil ihrer Grundstücke abgeben bzw. zur Verfügung stellen. Jedoch waren einige dieser Leute inzwischen schon verstorben und die Nachfolger hatten neue Gärten angelegt, Gartenhäuser gebaut, Zäune gezogen usw. Und nun hieß es sinngemäß, das alles um rund 2 m zurück nach Westen zu bauen. Der Bund stellte hierfür die erforderlichen Geldmittel zur Verfügung
1975
oben: Beobachtungshochstand der DDR-Grenztruppen im Grenzraum gegenüber Voßbergbogen / Lübeck-Schlutup. Fotosammlung Gerd Wilcken BUNDESGRENZSCHUTZ
um 1970
oben: Grenzbereich südlich der Grenzkontrollstelle Lübeck-Schlutup.
um 1970
oben: Raum Selmsdorf, südlich der F104. Rechts ist ein hölzerner Wachturm der DDR-Grenztruppen zu erkennen
um 1970
Lübeck-Schlutup um 1970
um 1970
2014
1985
oben: der Grenzbereich "An der Landesgrenze" / "Stumpfer Weg" bei Lübeck-Schlutup.
oben: Beobachtungsturm der DDR-Grenztruppen im Grenzraum bei Lübeck-Schlutup unweit Lüdersdorfer Weg
Schlutup 1970
oben und unten: die Grenze bei Lübeck-Schlutup im Jahr 1970 aus der Sicht eines Angehörigen der DDR-Grenztruppen. Fotos: Jochen Leuschel
Schlutup 1970
ca. 1969
Grenze am Lüdersdorfer Weg bei Lübeck-Schlutup. Fotosammlung Gerd Wilcken, BUNDESGRENZSCHUTZ
Grenze beim Lüdersdorfer Weg in Lübeck
oben: die Bundeszollverwaltung war bemüht, die Besucher der Grenze mit "Informationen/Hinweisen" zu versorgen. Auch bei Lübeck-Schlutup, am Lüdersdorfer Weg, stand eine Schautafel. Diese "Kästen" fanden nicht nur Interesse bei den unzähligen Gästen aus dem In-und Ausland, sondern auch bei den Grenzorganen der DDR. Ein Soldat der DDR-Grenztruppen, vermutlich ein "Grenzaufklärer", lichtete am 8.7.1987 den Schaukasten des Hauptzollamts Lübeck-Ost / Zollkommissariats Lübeck-Süd, am Lüdersdorfer Weg ab. Das Bild wurde auf der Rückseite mit einem "Auswertungsvermerk" versehen und an vorgesetzte Dienststellen (letztlich auch an die "Staatssicherheit") weitergeleitet.
1985
oben: Grenzraum beim Lüdersdorder Weg in Lübeck-Schlutup
1985
oben: Ruine Wasserwerk gegenüber Lüdersdorfer Weg / Lübeck-Schlutup. Bis zum 31.12.1949 hat das Wasserwerk für die Stadtwerke Lübeck noch Wasser geliefert und die Schlutuper Siedlung versorgt. Ab 1950 wurde das Wasserwerk vom Kommunalwirtschaftsunternehmen Schönberg übernommen. 1950/1951 wurden sämtliche Aggregate, Armaturen, Schalter, Kessel, Pumpen etc. demontiert und in das neu errichtete Wasserwerk Schönberg verlagert . Im Zuge der Errichtung der neuen B104 (1990-1992) wurde das alte Wasserwerksgebäude abgerissen.
um 1970
oben: Lüdersdorfer Weg in Lübeck-Schlutup um 1970
oben: die alte Karte zeigt den Grenzverlauf im Raum Lübeck-Schlutup bis südlich der Bahnline Lübeck-Bad Kleinen bei Herrnburg. Von Hand wurde der Verlauf des doppelreihigen Metallgitterzauns (Zwischenraum vermint) eingezeichnet. In Verbindung mit dem im Anschluss publizierten Bild ist u.a. zu erkennen, dass das Minenfeld gegenüber Lübeck-Schlutup unweit des Schwarzmühlenteiches bzw. in Nähe der Wasserwerk-Ruine begann.
Ungefähr 1.322.700 Stück Erd- und Bodenminen hatte die DDR seit 1961 an bestimmten Bereichen der ca. 1378 Kilometer langen Landgrenze verlegt. Im Raum gegenüber von Lübeck geschah das erstmals im August 1962. Zu den Minenopfern, die schließlich zu beklagen waren, gehörte sogar ein Elch (im Herbst 1970 bei Herrnburg). Die 1962 verlegten Holzkastenminen vom Typ PMD-6 verrotteten jedoch relativ schnell und wurden - soweit noch vorhanden (nicht wenige waren zuvor durch Schneelast oder Tiere bereits explodiert) - schließlich gesprengt, um Platz zu schaffen für jene Sprengstoffträger, die aufgrund ihres Materials (Plastik bzw. Duroplastik oder Polyäthylen) eine längere Lebensdauer garantierten. Zwischen 1968 und 1979 verlegten speziell ausgebildete Angehörige der DDR-Grenztruppen Minen der Typen PMN, PMP-71 und PPM-2 im Grenzraum Herrnburg.
Mine PMN
oben: Grenzverlauf beim Schwarzmühlenteich
Grenzboje
oben: Die Grenzaufsichtsstelle(n) Schlutup des Zollkommissariats Lübeck-Süd befand(en) sich damals im Haus "Schwarze Heide 10" (unten rechts im Foto). Dort gab es auch Zwinger für Zollhunde. Oben im Bild ist der Schwarzmühlenteich zu erkennen.
um 1970
um 1970
oben: Grenzbereich Speckmoorstraße / Palinger Weg um 1970
um 1970
oben: Lübeck-Schlutup im Bereich Ecke Wesloer Landstraße / Speckmoorstraße. Gut erkennbar sind einige Gebäude der früheren DWM (Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken). Nähere Infos hierzu finden Sie auf der Webseite http://www.dwm-schlutup.de/
DWM
oben: Werkzeugmarke der DWM Lübeck
oben: der Grenzabschnitt "2"
oben: Hubschrauber „Mi-2" der DDR. Luftfahrzeuge dieses Typs sowjetischer Bauart wurden von der DDR relativ häufig an der Grenze eingesetzt. Vielfach auch „Mi-8" und „Mi-24". Bundesgrenzschutz und Grenzzolldienst hatten bei Sichtung die Aufgabe, diese Flüge an die Sprechfunkzentrale zu melden. Typ, Nationalität und Flugrichtung mussten genannt, Flughöhe und Abstand zur Grenze mussten geschätzt werden. Falls die Bordnummer des Hubschraubers zu erkennen war, hatte auch diese übermittelt zu werden.
Auch sowjetische Hubschrauber waren gelegentlich im Grenzraum unterwegs. Es kam sogar vor, dass diese die Grenze überflogen und den Luftraum der Bundesrepublik Deutschland verletzten. So am 26.08.1986, als eine "Mi 24" südlich von Lübeck-Schlutup westwärts flog:
oben: Die Lübecker Nachrichten berichteten in ihrer Ausgabe vom 27.08.1986 über den über Bundesgebiet fliegenden Hubschrauber "Mi 24"
oben: Zoll und Bundesgrenzschutz bilanzierten im Lagebericht für den Monat September 1987 insgesamt 33 Hubschraubereinsätze von Kräften des Warschauer Pakts an der innerdeutschen Grenze im Bereich gegenüber von Grenzschutzkommando Küste / Hauptzollamt Lübeck-Ost
Bundesgrenzschutz
oben: Für die Grenzüberwachung aus der Luft setzte der Bundesgrenzschutz überwiegend Hubschrauber der Typen "Alouette" (links) und "Bell UH 1D" ein
oben: Grenzraum bei den "Schwedenschanzen". "74" = Beobachtungsturm BT (r) der DDR-Grenztruppen nordwestlich Palingen
Falls Sie sich fragen, was die Nummern in den roten Kreisen bedeuten – nehmen wir als Beispiel die „17“ und die „28“. Erstgenannter war der „Meldepunkt“ 1217 bzw. der Punkt „17“ im Überwachungsabschnitt „12“, welchen Bundesgrenzschutz und Zoll damals u.a. zu überwachen hatten. Hinter „1217“ verbarg sich die Abschrankung Lüdersdorfer Weg. Punkt „1328“ war der Punkt „28“ im Überwachungsabschnitt 13 (Hochstand des Grenzzolldienstes bei Schneiders Wiesen).Am Ende des Grenzdienstes hatten die Zollstreifen im Dienstbuch zu dokumentieren, welche „Punkte“ sie während der „Schicht“ angelaufen und wo und wie lange sie postiert hatten.
oben: Grenzknick nordwestlich Palingen. Oben links im Bild der Lübecker Stadtteil Schlutup. Aufnahme aus der Zeit um 1970
oben: der Grenzknick nordwestlich Palingen bzw. im Raum gegenüber den " Großen Schwedenschanzen" in den 1970er-Jahren. Der doppelreihige Metallgitterzaun (Zwischenraum vermint) ist gut zu erkennen. Fotosammlung Gerd Wilcken, Bundesgrenzschutz
oben: der Beobachtungsturm BT 11 beim Grenzknick nordwestlich Palingen bzw. im Raum gegenüber den Großen Schwedenschanzen. Unterhalb des BT 11 ist ein Robur LO abgestellt. Am Kolonnenweg sind diverse Leute, vermutlich Angehörige der Grenztruppen der DDR, zu erkennen. Wahrscheinlich Kabel-Verlegung für das Grenzmeldenetz. Fotosammlung Gerd Wilcken, Bundesgrenzschutz
oben: der BT 11 nordwestlich Palingen. Aufnahme aus der Zeit um 1970. Gut zu erkennen ist der doppelreihige Metallgitterzaun (Zwischenraum vermint).
1985
oben: Beobachtungsturm BT 11 beim Grenzknick nordwestlich Palingen im Jahr 1985. Blick in Richtung Süden
um 1969
oben: Grenzknick nordwestlich Palingen. Blick in Richtung Süden
2014
oben: auch 25 Jahre nach der Grenzöffnung ist der "Grenzknick" nordwestlich Palingen aus der Luft noch erkennbar.
um 1970
oben: Alte Försterei (heute: Holzhof Wesloe) in Lübeck um 1970
2014
oben: der Bereich bei der ehemaligen "Försterei Wesloe" im Jahr 2014 - heute Holzhof Wesloe
um 1970
oben: Grenzraum bei der Waldschule Wesloe (um 1970)
um 1970
oben: die Waldschule Wesloe in Lübeck um das Jahr 1970 herum
oben und unten: Relikt der früheren Schießbahn: Beton-Projektil-Fang
18.3.2018
1959
oben: Kaum zu glauben, dass "das" passierte: ein bundesdeutscher Zollbeamter wechselte die Seiten und begab sich in die DDR. Soweit mir bekannt ist, kam er einige Zeit wieder zurück in die Bundesrepublik. Seinen "Job" beim Zoll war er allerdings für immer los...
1958
1958
1957
Jugendliche/Heranwachsende beim "Krieg-Spielen" bei der Schießbahn Wesloe unweit Schwedenschanzen. Aufnahme aus dem Jahr 1957 (Fotosammlung Rainer Andresen)
oben: Schutzstreifenzaun (SSZ) bzw. Grenzsignalzaun (GSZ) nordwestlich Palingen
oben: die Karte (Quelle: Museum der Bundespolizeiakademie in Lübeck) verdeutlicht u.a., wo das darüber zu sehende Bild örtlich gesehen einzuordnen ist
oben: Ausschnitt aus einer Karte, welche im "Grenzhus Schlagsdorf" ausgestellt ist.
Tunnel
Tunnel
oben und unten:Im Grenzbereich zwischen Palingen (DDR) und Lübeck gab es einen unterirdischen Tunnel, der zum "Schleusen" von Personen benutzt wurde. Der Tunnel (Foto: Sammlung Ulrich, Grenztruppen der DDR) wurde schon bald nach Öffnung der Grenze ausgegraben und entfernt. Dort, wo er sich befand, erinnert heute nichts mehr an dessen damaliger Existenz.
18.3.2018
oben: Bereich beim ehemaligen Tunnel. Blick von Ost nach West
18.3.2018
oben: Bereich beim ehemaligen Tunnel. Blick von West nach Ost
oben: Bau des Tunnels im Grenzraum bei Palingen. Fotosammlung Gerd Wilcken BUNDESGRENZSCHUTZ
Es war an einem schönen Herbsttag, als meine aus Lübeck-Eichholz stammende Freundin (die am 10.2.1987 meine Ehefrau wurde) und ich wieder mal den Entschluss fassten, mit unseren Hunden an der Grenze spazieren zu gehen. Frisch verliebt und in unserer Freizeit befindlich, waren wir darauf bedacht, möglichst abseits der Wege zu gehen, um unter uns und damit ungestört zu sein.
Wir hatten eigentlich nur noch Augen für uns, als es plötzlich im dichten Buschwerk zu knacken anfing. Was kam da auf uns zu? Ein Wildschwein? Ein schlechtes Gefühl beschlich uns, denn ein Mensch konnte sich doch eigentlich unmöglich hierher „verirren"! Und dann sahen wir uns – zeitgleich. Meine ungläubigen und schreckhaften Blicke spiegelten sich in den Augen jenes Mannes wider, der da nun plötzlich vor uns stand. Es war ein Herr zwischen 50 und 60 Jahren, durchaus seriös aussehend, aber man konnte die „Panik" spüren, die er scheinbar hatte. Mit eiligen Schritten schoss er förmlich an uns vorbei, die braune Aktentasche, die er trug, mit festem Griff haltend.
Was mochte ihr Inhalt sein? Ich ahnte, was „Sache" war. „Der kommt direkt von drüben", dachte ich angesichts der nahen Grenze. Was folgte, war ein Griff in meine Jackentasche. Verdammt, den Dienstausweis, den ich ansonsten immer bei mir hatte, konnte ich nicht spüren; er lag zu Hause in der Wohnung. Wie gerne hätte ich jetzt gesagt: „Halt, Zoll! Bitte weisen Sie sich aus!" Aber ich konnte mich nicht als Amtsträger zu erkennen geben. Eine einfache Zivilperson war ich, ohne „besondere Rechte". Und mein Zollhund ARCO, den ich bei mir hatte, trug kein Zollhund-Kenngeschirr. Er war ebenso „privat" unterwegs wie ich. Ihn zum Einsatz bringen durfte ich nicht, denn der gemeinsame Grundlehrgang an der Zollhundeschule Bleckede war noch nicht absolviert.
Und gerade jetzt hätte ich so gerne gerufen: „Halt, Zoll! Halt, oder ich setze den Hund ein!"
Nein, sich als Zöllner zu „outen", wäre sicher nicht ratsam gewesen, schließlich hatte ich weder Dienstpistole noch Funkgerät dabei. Was blieb übrig, als diesen Mann an uns vorbei zu lassen? Schlecht habe ich mich gefühlt, denn eine gründliche Personenkontrolle (insbesondere durch „gewisse" Dienststellen) wäre unzweifelhaft von Nöten gewesen! Wir konnten nichts anderes tun, als dem Mann möglichst unauffällig zu folgen. Und dann war er plötzlich weg, wie vom Erdboden verschluckt. Mein Verdacht, dass ich / wir jemanden angetroffen hatte(n), der kurz zuvor von Ost nach West über die Grenze geschleust worden war, erhärtete sich nach der „Wende" – denn der Ort der „Begebenheit" war unweit jener Stelle, wo der „Stasi-Tunnel" sich befand.
Tunnel
oben: Wenige Meter südlich des (damaligen) Tunnels im Grenzraum bei Palingen befindet sich dieses Gewässer. Es ist westlich der damaligen DDR-Grenzsperranlagen gelegen, aber noch auf früherem DDR-Gebiet. Manchmal angelten dort "Leute"; es waren in der Regel Angehörige des Ministeriums der Staatssicherheit der DDR, die sich hier, nur wenige Meter von der innerdeutschen Grenze entfernt, aufhielten.
Ein paar Meter weiter westlich ist ein FKK-Gelände (siehe untere Fotos)
18.3.2018
oben: Brücke über den Landgraben nördlich FKK-Gelände. Blick von West nach Ost
Für die Angehörigen der Grenzaufsichtsstelle Eichholz (des westdeutschen Grenzzolldienstes) stellte die Nordspitze des "FKK-Geländes" den nördlichsten Punkt des Bereiches dar, den sie zu bestreifen hatten. Von dort bis zur Wakenitz erstreckte sich der Bezirk, den die Zollbeamten bei Tag und Nacht zu überwachen hatten. Für das abgezäunte Gebiet des FKK-Geländes hatte der Grenzzolldienst Schlüssel. Beamte konnten sich so zu jeder Zeit Zutritt verschaffen und auch dort nach dem "Rechten" schauen.
Der östliche Rand des im Bild zu erkennenden Grabens stellte damals die Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik dar.
oben: Eingangstor zum FKK-Gelände. Aufnahme vom 18.03.2018
Zurück auf die "östliche Seite" der Grenze. Untere beiden Bilder zeigen einen Beobachtungsbunker bzw. eine "Beton-Brüstung" der DDR-Grenztruppen. Diese(r) befand sich südöstlich des "FKK-Geländes" in der Palinger Heide am Kolonnenweg zwischen dem jetzigen Standort des Gedenksteins für den Grenzpolizisten Siegfried Apportin und dem seinerzeit für Schleusungen genutzten Tunnel. Wer als Spaziergänger dort vorbeikommt, sieht nur noch einen mit Gras bewachsenen Erdhügel; der Bunker bzw. die Brüstung selbst steht längst nicht mehr.
Mai 1984
März 2018
Aufnahme vom 18.03.2018. Auf dem Erdhügel stand der Bunker bzw. die Beton-Brüstung der DDR-Grenztruppen. Hier war damals der erste Postenpunkt der Grenzkompanie Palingen bei der Trennungslinie zur Grenzkompanie Selmsdorf
Dezember 1987
12/1987
Südlich des ehemaligen Beobachtungsbunkers bzw. der Betonbrüstung befindet sich unweit des "Kolonnenwegs" ein Denkmal für den getöteten Grenzpolizisten Siegfried Apportin. Er diente damals bei der Grenzpolizei /Volkspolizei (der DDR) und wurde am 02.07.1950 von einem anderen Angehörigen der "VP", der "Fahnenflucht" beging, im Grenzbereich bei Palingen erschossen. Siehe hierzu das von der Freien Universität Berlin Veröffentlichte unter http://www.fu-berlin.de/sites/fsed/Das-DDR-Grenzregime/Todesfaelle-im-Grenzdien/Apportin_Siegfried/index.html
Das obere Bild zeigt einen Teil des Kolonnenwegs und des einstigen Kontrollstreifens im Bereich der Palinger Heide. Die Aufnahme wurde am 26.04.1993 gefertigt. Zwanzig Jahre später, am 07.07.2013, wurde hier die 29-jährige Anna-Lena U. während des Joggens überfallen und getötet.
Dort, wo Anna-Lena U. ihr noch so junges Leben verlor, steht dieser Stein. Aufnahme vom 25.09.2016
um 1970
oben: Grenzraum in Höhe der "Kirschenallee" in Lübeck
oben und unten: Grenzbereich in Palinger Heide nördlich von Herrnburg
1970
2016
oben und unten: Kolonnenweg in der Palinger Heide
2016
2016
2017
2018
2016
Im Bereich der Palinger Heide sind die Betonplatten des Kolonnenwegs noch gut zu erkennen. Früher fuhren Fahrzeuge der DDR-Grenztruppen auf ihnen, nun sind hier viele Spaziergänger unterwegs und finden Erholung. Aber aufgepasst: wer nicht Gefahr laufen möchte, auf eine Schlange zu treten, sollte seinen Blick gelegentlich vor die Füße richten. Nicht nur ungefährliche Ringelnattern gibt es hier; auch giftige Kreuzottern sind hier zu Hause (siehe nachfolgende Aufnahme vom 25.09.2016)
Kreuzotter
um 1970
Wechseln wir die Seite und blicken von Westen in Richtung Palinger Heide. Zum Gebiet, welches von den Angehörigen des Bundesgrenzschutzes und Grenzzolldienstes zu überwachen/bestreifen war, gehörte auch das oben gezeigte Waldstück nördlich von Lübeck-Eichholz. Zollhund-Führern war es gestattet, dort bei Nacht alleine unterwegs zu sein. Bei "Schneiders Wiesen" hatte der Zoll einen Beobachtungshochstand, welcher von den Streifen gelegentlich aufgesucht wurde.
oben und unten: der Bereich bei "Schneiders Wiesen" am 18.3.2018. Hier stand damals der Hochstand des Grenzzolldienstes
18.3.2018
oben: Brücke über den Landgraben bei "Schneiders Wiesen". Blick von Ost nach West. Aufnahme vom 18.03.2018
18.3.2018
oben: Der Landgraben unweit "Schneiders Wiesen". Blick in Richtung Süden bzw. Lübeck-Eichholz. Das ostwärtige Ufer des wasserführenden Landgrabens bildete hier die Grenzlinie; "links" war damals DDR-Gebiet
Es gab Nächte, da waren im Grenzgebiet bei Lübeck-Eichholz mehrere westdeutsche Grenzstreifen im Einsatz. Bundesgrenzschutzbeamte postierten z.B. an der Abschrankung Lübeck-Eichholz/Herrnburg, eine Zollstreife hatte sich am Hochstand des Grenzzolldienstes an der Bahnlinie-Lübeck-Herrnburg niedergelassen. Für eine weitere Zollstreife (mit Diensthund) bedeutete das, auf jene Räume auszuweichen, die noch nicht „besetzt" waren. Entweder machte man sich auf in Richtung Wakenitz oder man begab sich nordwärts in Richtung "Schneiders Wiesen". Auf jeden Fall musste man nun bei tiefster Dunkelheit seinen Grenzdienst verrichten. Und die Wahrscheinlichkeit war dabei sehr hoch, auf Tiere zu treffen, denen man unter genannten Umständen eigentlich lieber nicht begegnen möchte – Wildschweine!
Ich erinnere mich daran, wie ich gelegentlich den würzigen Duft dieser „Schwarzkittel" in die Nase bekam, bevor ich es „grunzen" hörte. Und ich gestehe: mir wurde dann schon etwas „flau" im Magen… Statt wie die meisten anderen Menschen zu Hause im Bett zu liegen und zu schlafen, gehörte es zu meinen Pflichten, diese Wege auch zur Nachtzeit zu bestreifen. Ein großes Glück, dass ich nicht alleine war! Was ich meinen Diensthunden ARCO und ARIE schulde ist mehr, als ich in der Lage wäre in die richtigen Worte zu fassen.
Und so denke ich an meine vierbeinigen Freunde – in Liebe und in Dankbarkeit. Ich hoffe auf unser Wiedersehen - wann, wo und in welcher Form das auch immer sein mag.
oben: Manfred Krellenberg mit Zollhund ARIE - Oelgemälde von 1995
oben: Manfred Krellenberg mit Zollhund ARCO
Mai 1984
oben: Im Mai 1984:Angehörige der DDR-Grenztruppen - Grenzaufklärer - und eine Streife des Bundesgrenzschutzes (BGS) an der innerdeutschen Grenze im Raum nördlich Lübeck-Eichholz bei "Schneiders Wiesen". Im Gegensatz zu den Grenztruppen der DDR, die eine "Grenzsicherung" betrieben, überwachten BGS und Grenzzolldienst den ihnen zugeteilten Grenzbereich. Grenzschutz und Zoll sprachen sich bezüglich der Dienstverrichtung ab und sorgten dafür, dass immer mindestens eine Streife im Einsatz war. Bei Tag und bei Nacht. Ob auf dem Priwall, in Lübeck-Schlutup / Lübeck-Eichholz oder im Raum Groß Grönau: Zoll und Bundesgrenzschutz waren unterwegs und verrichteten auch unter schwierigsten Wetterbedingungen ihren Dienst
Oben: eine statistische Auswertung auf Ebene der Grenzschutzkommandos / Hauptzollämter und höher, hier für den Bereich des Grenzschutzkommandos Küste /Oberfinanzdirektion Kiel (bzw. dem zur OFD gehörenden Hauptzollamt Lübeck-Ost) betreffend Juni 1988.
Ein ehemaliger BGS-Beamter, damals bei der Grenzschutzabteilung Küste 1 tätig, bemerkte in Bezug auf die Anzahl der in der Statistik genannten BGS-Grenzstreifen: „Als der BGS 1951 gegründet wurde, gab es bereits die Streifen des Grenzzolldienstes - im Auftrag der jeweiligen Besatzungsmächte - an der innerdeutschen Grenze (idG)! Dann kam der BGS und dann kam das wirklich unschöne Wort "Fachaufsicht". Nach den Verordnungen sollten wir vom BGS diese über den Grenzzolldienst (GZD) haben.
Nur war aber der GZD komplett anders organisiert als der BGS. Die Kollegen gingen aus ihren Grenzaufsichtsstellen (GASten) direkt zum Dienst an die Grenze. Diese waren an der ganzen idG verteilt. Wenn ein Hauptzollamt z.B. vier GASten hatte, gingen von dort die Streifen direkt in den Grenzraum. Einzelbeamte mit und ohne Hund oder auch mehr. So konnte ein HZA während 24 Stunden vielleicht 5,6,7 oder mehr Streifen an die Grenze schicken. Unsere Grenzschutzabteilung sendete aber immer nur eine - selten mal zwei Streifen - zur Zeit nach draußen. Machte 3 bis max. 5 Streifen pro Tag. Zur Erinnerung: Jeder GZD-Beamte war zahlenmäßig eine Streife, eine BGS Streife (Streifenführer, 3 PVB) auch nur zahlenmäßig eine Streife. Zusammengezählt am Monatsende kamen dann in der Präsenz vor Ort große Differenzen zum Nachteil des BGS auf. Ging gar nicht!
Also überlegen, wie man auf mehr Stunden an der Grenze kam als der GZD. Und da war dann auch schon die Lösung: Es wurden nicht mehr die Anzahl der Streifen alleine gerechnet, sondern die Zahl der Stunden in denen ein Beamter vor Ort war....die Mannstunden waren geboren ( 1 Streife GZD / 1 Mann 8 Stunden vor Ort= 8 Mannstunden / 1 Streife BGS /4 Mann 8 Stunden vor Ort = 32 Mannstunden).
Bei der Anzahl musste dann aber noch nachgelegt werden. War bei uns in Lübeck ziemlich einfach. Wir waren ja die Stadt an der idG mit den meisten Grenzbesuchern. Jede Besuchergruppe wurde von einem Grenzführer begleitet. Der war selbstverständlich nicht alleine, sondern hatte ein Fahrzeug und einen Kraftfahrer, häufig auch noch einen Begleitposten. An guten Sommertagen gingen bis zu 10 Grenzführungen pro Tag bei uns durch. Also: 10 Sondergrenzstreifen. Grenzfahrt ca. 2 Std x 3 PVB (Polizeivollzugsbeamte) x 10 Streifen = 60 Mannstunden pro Tag."
Ja, so wurde manche Statistik "gestaltet", dass sie den eigenen Wünschen / Erfordernissen entsprach. "Drüben", in der DDR, wusste man jedoch sehr gut, wie oft Bundesgrenzschutz und Zoll an der Grenze Streife liefen/fuhren. "In der Zahl der Grenzstreifen (nicht in ihrer personellen Stärke) schlägt er den BGS um Längen. Gerade der GZD führt zu einem erheblicheren Teil die ständige Beobachtung an der Grenze", heißt es in der (DDR-) Schriftenreihe „Wachsam und kampfentschlossen". Siehe hierzu nachfolgende PDF-Datei (auf das Bild klicken)
oben: Hundelaufanlage in der Palinger Heide beim Grenzsignalzaun (Fotosammlung Gerd Wilcken, BUNDESGRENZSCHUTZ).Zahlreiche Hunde mussten im Schutzstreifen ihren Dienst für die DDR-Grenztruppen verrichten – unter ausgesprochen widrigen Umständen. Wer mehr über das (traurige) Leben dieser Tiere erfahren möchte, dem ist das Buch "Die Hundegrenze" (Autorin: Marie-Luise Scherer) zu empfehlen.
oben: Hundehütten zwischen dem doppelreihigen Schutzstreifenzaun im Grenzbereich bei Herrnburg. Der einreihige Metallgitterzaun (eMGZ) ist in diesem Bild nicht zu sehen. Fotosammlung Gerd Wilcken, Bundesgrenzschutz
Im Grenzbereich gegenüber Lübeck gab es Ende 1987 drei Hundelaufanlagen und 103 Hunde / 103 Hütten.
September 1988
Buch-Empfehlung
Die Grenzsperr- und Sicherungsanlagen gegenüber dem Grenzabschnitt der Grenzschutzabteilung Küste 1 bzw. dem Zollkommissariat Lübeck-Süd (Raum Priwall/Ostsee bis Nordspitze Ratzeburger See) mit Stand vom 23.12.1987:
Beobachtungstürme aus Beton Anzahl: 26
Erdbunker aus Betonfertigteilen Anzahl: 6
Betonbrüstungen Anzahl: 8
Sonstige Objekte Anzahl: 10
Schutzstreifenzaun Länge: 37,7 Kilometer
Betonmauer Länge : 2,2 Kilometer
Lichtsperren Länge: 9,6 Kilometer Anzahl: 6
Hundelaufanlagen Länge: 9,9 Kilometer Anzahl: 3
Metallgitterzaun Länge: 39,9 Kilometer
- davon einfach Länge: 35,5 Kilometer
doppelt 4,4 Kilometer
Kolonnenweg Länge: 40,2 Kilometer
Kfz-Sperrgraben Länge: 22,4 Kilometer
Durchlässe und Übergänge Anzahl: 22
Oben: Schematische Darstellung der DDR-Grenzsperranlagen aus der Zeit um 1980. Zwischen 1983 und 1985 gab es einige Veränderungen. So wurden z.B. die Erdminen gesprengt, die Selbstschussanlagen SM70 abgebaut, Zäune erneuert / modifiziert, akustische und optische Signalanlagen (Rundumleuchten/Signalhörner) demontiert und der "stille Alarm" eingeführt
Der Grenzbereich in Lübeck bei der Straße AN DEN SCHIEßSTÄNDEN. Im Foto, das um 1970 entstand, ist u.a. die damalige Gaststätte "Waldkrug" zu sehen. Die Grenze ist nicht weit entfernt; im Hintergrund sind Metallgitterzäune im Bereich der Palinger Heide zu erkennen.
oben: Grenzbereich bei Lübeck-Eichholz (um 1970). Wenige Jahre zuvor war im Raum linksseitig der Brandenbaumer Landstraße eine Müllkippe. Diese wurde im Dezember 1963 geschlossen. Siehe hierzu den nachfolgenden Zeitungsbericht:
1967
1970
um 1950
oben: Sperre am Ende der Brandenbaumer Landstraße in Lübeck. Die Abschrankung gab es zu dieser Zeit noch nicht; diese wurde erst 1958 errichtet.
1953
1956
1957
1958
1958
1959
1959
1959
1959
1959
1959
1961
1961
1961
1961
1961
oben: Zollbeamte an der Grenze bei Lübeck-Eichholz. Sie führen einen Diensthund und ein Funkgerät mit sich. Die ersten "beweglichen" Funksprechgeräte wurden am 11.08.1960 beim Zoll für den Raum Lübeck-Lauenburg eingeführt. Siehe hierzu nachfolgendes Dokument:
1962
1964
1964
1965
Video
Flugblatt
Flugblatt
Flugblatt
Flugblatt
Handraketen
oben: eine Fotografie (aus der Sammlung von Jochen Leuschel) von großem zeitgeschichtlichen Wert: Herstellung von Handraketen bzw. Füllen der Alu-Hülsen für den späteren Abschuss mit DDR-Propaganda-Flugblättern an der innerdeutschen Grenze
P 3 mit AGA 500
P3
Agitation
oben und unten: DDR-Propaganda-Tonband-Sprechansagen, welche um 1969 an der innerdeutschen Grenze bei Lübeck Richtung Bundesrepublik gerichtet wurden (Sammlung Jochen Leuschel)
1966
1960
oben und unten: Die Nachbildung des Brandenburger Tores (vom KURATORIUM UNTEILBARES DEUTSCHLAND gestiftet und am 17.6.1960 eingeweiht) befand sich unweit der Abschrankung Lübeck-Eichholz. Das Tor, wegen seiner Lage auch "Brandenbaumer Tor" genannt, sollte Mitte der 1960er Jahre gemäß Aufforderung des Lübecker Senats wieder abgerissen werden. 1967 fiel es starken Winden zum Opfer; das umgewehte Tor wurde nicht wieder aufgebaut und entfernt.
1965
1967
Lübeck
oben und unten: Blick über die Grenze in Richtung Lübeck (Zeit der Aufnahmen zwischen 1968-1970). Sammlung Jochen Leuschel
1968
Zollbeamte an der Abschrankung Lübeck-Eichholz im Jahr 1968 - Foto: Rainer Andresen
bei Herrnburg
oben: DDR-Grenzsäule mit beschädigtem Emblem unweit der Abschrankung Lübeck-Eichholz bzw. der Ortschaft Herrnburg. Aufnahme aus dem Jahr 1968. Foto: Rainer Andresen
Das oben gezeigte Foto wurde um 1970 aufgenommen. Es zeigt den Bereich am Ende der Brandenbaumer Landstraße in Lübeck. Auch die Abschrankung Eichholz ist zu erkennen. Unten rechts im Bild die Gaststätte „Landhaus" (heute: Ulli´s Landhaus).
oben: Grenzbereich bei Lübeck-Eichholz (um 1970)
oben: Grenzbereich bei Lübeck-Eichholz (um 1970)
oben: Grenzbereich bei Lübeck-Eichholz (um 1970)
um 1970
oben: der Bereich am Ende der Brandenbaumer Landstraße in Lübeck. Um das Jahr 1970 entstand dieses Aufnahme. Das "Steinlager" wurde später abgerissen. Heute befinden sich hier Gebäude, u.a. die Schule am Bohlkamp.
1965
um 1970
oben: Die Abschrankung Eichholz unten links im Bild
oberes Foto: In der unteren Bildhälfte sind einige Gebäude vom "Steinlager" zu erkennen
oben: Grenzbereich bei Lübeck-Eichholz (um 1970)
Erklärungen zu obiger Karte: 32 = Standort des damaligen Zollkommissariats Lübeck-Süd in der Guerickestraße / 28 = Standort des Grenzzolldienst-Beobachtungshochstandes bei "Schneiders Wiesen"/ 31 = Bereich an der Abschrankung Eichholz / 33 = Standort des Grenzzolldienst-Beobachtungshochstands an der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg / 75 = Beobachtungsturm (BTv Führungsstelle) der DDR-Grenztruppen nordwestlich Herrnburg / 76 = Beobachtungsturm (r) BT 11 der DDR-Grenztruppen bei Herrnburg / 77 = Beobachtungsturm BTv der DDR-Grenztruppen beim Bahnhof Herrnburg / 78 = Beobachtungsturm (r) BT 11 südwestlich von Herrnburg
12/1987
1969
oben: BT 11 bei Herrnburg nach dessen Fertigstellung im Jahr 1969. Fotosammlung Gerd Wilcken BUNDESGRENZSCHUTZ
oben: der Grenzbereich bei der Abschrankung Lübeck-Eichholz in den 1970er-Jahren. Fotosammlung Gerd Wilcken, Bundesgrenzschutz
oben: "Bunker" südöstlich der Abschrankung Lübeck-Eichholz. Vom Dach des Beobachtungs-Hochstands des Grenzzolldienstes bei der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg war dieses Bauwerk gut einzusehen. Der dort befindliche Suchscheinwerfer konnte den hiesigen Grenzbereich bei Dunkelheit sehr gut ausleuchten. Fotosammlung Gerd Wilcken, Bundesgrenzschutz
1985
oben: Grenzbereich im Raum Lübeck-Eichholz / Herrnburg. Blick in Richtung Süden
oben: Grenzbereich Lübeck-Eichholz / Herrnburg im Jahr 1988. Fotosammlung Gerd Wilcken, Bundesgrenzschutz
oben: Ein hölzerner Beobachtungsturm der DDR-Grenztruppen im Raum Herrnburg. Diese Türme wurden durch "runde" Beobachtungstürme aus Betonringen (zumeist BT 11) ersetzt. Erst später gab es auch viereckige BT (BTv und BTv FP / (Führungspunkt/Führungsstelle). Zwischen den beiden im Vordergrund des Bildes zu sehenden Metallgitterzäunen liegen Minen. Fotosammlung Gerd Wilcken, Bundesgrenzschutz
1985
oben: Grenze bei Herrnburg. Die Beobachtungstürme "75" und "76" sind zu erkennen.
oben: Gasse im Minenfeld nordwestlich von Herrnburg (Fotosammlung Gerd Wilcken BUNDESGRENZSCHUTZ). Selbige Gasse ist auch im unteren Bild zu sehen
1969
Grenze bei Lübeck-Eichholz in Höhe Gut Brandenbaum.Am 03.10.1969 passierte der Bundesbürger Wilhelm Droeger die Grenzlinie nördlich der gesperrten Straße Lübeck-Eichholz/Herrnburg und trat nach Überklettern des ersten Metallgitterzauns auf eine Mine. Die Detonation riss dem Lübecker den linken Fuß oberhalb des Sprunggelenkes ab. Erst nach längerer Zeit (über 5 Stunden!) wurde er von Kräften der DDR-Grenztruppen geborgen und starb letztlich aufgrund seiner erlittenen Verletzungen.
Die Freie Universität Berlin hat betreffend des Todes von Wilhelm Droeger das Folgende veröffentlicht:
Auch im Jahre 1981 ereigneten sich Unglücke im Minenfeld bei Herrnburg. Die Personen erlitten dabei schwere Verletzungen (siehe nachfolgende Zeitungsartikel):
September 1980
Juli 1979
25.7.1979
oben: Minensprengung bei Herrnburg bzw. im Raum gegenüber Lübeck-Eichholz (hier am 25.7.1979). Bald darauf wurden in diesem Raum neue Minen verlegt.
1971
1985
oben: Führungsstelle der DDR-Grenztruppen nordwestlich Herrnburg.
1985
Foto oben: das 1985 aufgenommene Luftbild zeigt einen Teil des Grenzraums zwischen Lübeck-Eichholz und Herrnburg. Die freie Fläche im Bereich der beiden zu erkennenden DDR-Grenztürme (rechts ein BT 11 ("76"), links die Führungsstelle ("75") gibt es heute nicht mehr; hier stehen nun die Häuser des Neubaugebiets "Krüzkamp"
1985
Grenzraum Lübeck-Eichholz / Herrnburg im Jahr 1985. Auch südlich des im Januar 1990 umgerissenen Beobachtungsturms begann später eine rege Bautätigkeit. Zunächst noch als Flohmarkt-Gelände genutzt, entstanden hier Neubauten.Die nachfolgenden drei Fotos, von Karsten Eckermann im Jahr 2014 bei einem Gyrocopter-Flug aufgenommen, zeigen die Veränderungen
2014
2014
2014
Zu den Todesopfern, die es an der innerdeutschen Grenze im Raum Lübeck gab, zählt Herr Piorek. Er überquerte von Lübeck aus die Grenzlinie, um nach "drüben" zu gelangen. Über das, was sich am 6.12.1963 im Grenzraum Lübeck-Eichholz/Herrnburg ereignete, berichtete die Tageszeitung LÜBECKER MORGEN wie folgt:
oben: links im Bild das Gebäude bei Herrnburg, wo Warentransporte und Reisende, welche hier zwischen Lübeck und Herrnburg verkehrten, von der Volks-/Grenzpolizei kontrolliert wurden. Die Abfertigungsbaracke wurde 1959 abgerissen. In den letzten Monaten ihres Daseins hatte sie als Getreidespeicher gedient. Rechts im Foto ist das sogenannte "weiße Haus" zu sehen.
Im Grenzbereich gegenüber Lübeck gab es Ende des Jahres 1987 insgesamt 26 Beobachtungstürme aus Beton. Im Hintergrund des Bildes ist die Herrnburger Führungsstelle der DDR-Grenztruppen zu sehen. Im Vordergrund steht der "BT 11" nordwestlich Herrnburg. Diese runden Türme hatten schlechte Eigenschaften bei stürmischen Winden und durften ab einer gewissen Stärke nicht mehr besetzt werden.
oben: Blick aus der Kanzel eines Beobachtungsturms der DDR-Grenztruppen, welcher auch in den unterhalb dieses Fotos gezeigten Bildern zu sehen ist (Foto: Sammlung Grundmann, Grenztruppen der DDR), in Richtung Lübeck-Eichholz. Der doppelreihige Metallgitterzaun ist im Vordergrund des Fotos zu erkennen. Zwischen den Zäunen lagen Minen (bis 1984)
oben und unten: Der Beobachtungsturm (BT 11) der DDR-Grenztruppen, welcher von der Abschrankung Lübeck-Eichholz zu sehen war. Am 04.01.1990 kam dessen Ende; der BT wurde umgerissen. Ich war damals vor Ort und habe u.a. die nachfolgend gezeigten Fotoaufnahmen gefertigt:
4.1.1990
4.1.1990
4.1.1990
oben: Am Donnerstag, 4.1.1990, war ich als Angehöriger der Grenzaufsichtsstelle Eichholz zeitweise an der Grenzkontrollstelle (GKSt) Eichholz eingesetzt, um bei dieser im Dezember 1989 (wieder-)errichteten Dienststelle Aufgaben in der Grenzabfertigung wahrzunehmen.
Als „drüben“ ein Bagger erschien und unweit des BT 11 zum Stehen kam, ahnte ich, dass die letzte Stunde für diesen runden Beobachtungsturm der DDR-Grenztruppen gekommen war. Seit 1969 stand er dort und er war in den Jahrzehnten seiner Existenz bis zum Tag des „Mauerfalls“ eigentlich ständig besetzt gewesen.
Ich bat meinen Kollegen, der mit mir Dienst verrichtete, einige Minuten allein bei der GKSt Eichholz zu verbleiben. Eilig legte ich meinen grünen Zollanorak ab und zog mir eine zivile Jacke über. Für den „Kenner“ blieb ich trotzdem als Zöllner erkennbar; die graue Diensthose und der grüne Zollpullover, welcher unter der nicht verschlossenen Jacke sichtbar war, ließen den „Insider“ darauf schließen.
Für weitere „Maskerade“ blieb keine Zeit. Bloß schnell nach „drüben“, dachte ich und begab mich rund 200 Meter ostwärts. In meiner Nähe befanden sich etliche Angehörige der DDR-Grenztruppen. Aber sie hatten glücklicherweise kein Interesse daran, mich wegzuschicken, zumal als (immer noch im Dienst befindlicher) bundesdeutscher Zollbeamter. Als der Herrnburger BT 11 umgerissen wurde, zückte ich meine Kamera und drückte immer wieder auf den Auslöser – so lange, bis der Turm zerschmettert auf dem Boden lag.
Was ich in den Momenten seines Endes dachte, weiß ich nicht mehr. Aber ich kann mich daran erinnern, dass ich mir der geschichtlichen Bedeutung dieser Augenblicke sehr bewusst war. Gleich nach Dienstschluss fuhr ich in die Lübecker Innenstadt und ließ meinen belichteten Film bei einem Fotoladen in der Breiten Straße entwickeln. Für den „1-Stunden-Service“ musste ich ein paar Mark mehr zahlen, als bei „normaler“ Entwicklung. Und als ich dann die Bilder in den Händen hielt, begab ich mich in das Gebäude der „Lübecker Nachrichten“, welches nicht weit von diesem Fotoladen entfernt war.
In der Redaktion blickte man meine kurz zuvor „geschossenen“ Bilder an und nahm sie mir sofort dankend ab. 160 DM erhielt ich als "Honorar“.
Und schon am nächsten Tag, 5.1.1990, sah ich auf der ersten Seite der Lübecker Nachrichten nochmals „Das Ende eines DDR-Wachturms vor den Toren Lübecks“.
oben und unten: Schutzstreifen bei Herrnburg
oben: im Hintergrund ist die Führungsstelle der DDR-Grenztruppen bei Herrnburg zu sehen
oben: Führungsstelle der DDR-Grenztruppen bei Herrnburg im Jahr 1990 - Foto: Christoph Arndt
oben: Blick aus der Führungsstelle der DDR-Grenztruppen bei Herrnburg in Richtung Hansestadt Lübeck - 1990, Foto von Christoph Arndt
oben: die Kirchtürme von Lübeck konnte man vom Dach dieses bei Herrnburg stehenden Beobachtungsturmes der DDR-Grenztruppen sehen (Foto: Christoph Arndt)
Der Grenzsperr- und Signalzaun (GSSZ) der DDR war im Raum zwischen der Ostseeküste bei Pötenitz und der Nordspitze des Ratzeburger Sees insgesamt 37,7 Kilometer lang (Stand: November 1989)
Der Metallgitterzaun (MGZ) - Bestandteil der DDR-Grenzsicherungs- und Sperranlagen (hier bei Herrnburg) - war im Bereich zwischen der Ostseeküste bei Pötenitz und der Nordspitze des Ratzeburger Sees 39,9 Kilometer lang (Stand: November 1989). Wie im obigen Foto links unten erkennbar ist, befanden sich im MGZ bzw. im "Grenzzaun I" (Bezeichnung DDR-Grenztruppen) in unregelmäßigen Abständen Durchlässe im Zaun. Durch diese kleinen Tore gelangten die DDR-Grenzaufklärer auf das "vorgelagerte Hoheitsgebiet"
12/1987
Bild oben: Durchlasstor im Metallgitterzaun bei Herrnburg
MGZ
oben und unten: die Schutzhütte des Grenzzolldienstes unweit der Abschrankung Lübeck-Eichholz. Und was sah man(n), wenn man in diesem Gebäude „postierte"? Blickte man geradeaus, dann auf den „Behaimring". Schaute man nach links, erkannte man die Brandenbaumer Landstraße. Rechts bzw. in Richtung „Grenze" sah man während der Dunkelheit einige Peitschenlampe der Lichtsperre, die es im Raum zwischen Bahnhof Herrnburg und Führungsstelle der DDR-Grenztruppen gab.
oben: Zollbeamte bei der Schutzhütte des Grenzzolldienstes unweit der Abschrankung Lübeck-Eichholz (April 1987). Bild unten: Abschrankung bei Nacht
1979
oben:An der Abschrankung bei Lübeck-Eichholz / Herrnburg war besonders in den Sommermonaten recht viel "los" - Auch ein "Feuerspucker" kam mal vorbei, um hier an der Grenze für etwas "Abwechslung" zu sorgen.
Relativ häufig zog es Angetrunkene/Betrunkene zur Grenze hin. Vielfach ging alles "gut". Nicht jeder von ihnen überquerte die Grenzlinie. Ja, mancher fiel schon vorher volltrunken zu Boden.... Einige, die es über die Grenze schafften, schliefen auf DDR-Gebiet ihren Rausch aus. Es gab aber auch Festnahmen durch Angehörige der DDR-Grenztruppen. In mindestens einem Fall durften "zivile Kräfte" (es waren BGS-Beamte) nach Absprache mit den Grenztruppen das Gebiet der DDR betreten, die Person "bergen" und auf Bundesgebiet zurückholen
9/1986
oben: der zu diesem Zeitpunkt bereits "polizeibekannte" Lübecker Bürger S. auf DDR-Gebiet (Foto: Grenztruppen der DDR) bei der Abschrankung Lübeck-Eichholz. Zoll und Bundesgrenzschutz werden ihn in "Empfang" nehmen, zum wiederholten Male über den Grenzverlauf der DDR und die möglichen Folgen bei "Nichteinhaltung des Grenzverlaufs" belehren.
Zu den vielen Leuten, welche den Grenzverlauf zur DDR nicht beachteten und nach „drüben stiefelten“, gehörte auch Gerhard S. Bundesgrenzschutz, Zoll und Grenztruppen der DDR hatten etliche Male mit ihm zu tun (auch die DDR-Justiz: er wurde mal zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die er auch absaß). Auch ich kann ein "Lied") von ihm singen… Während eines „Treffens" war ich als Einzelstreife und ohne Zollhund unterwegs im Raum Lübeck-Eichholz. Es war nicht das erste Mal, dass der Herr dort „auflief“; besagte Person war schon etliche Male zuvor „aufgefallen" und so wusste ich, „wer" er war und dass mit ihm nicht zu spaßen war (man sagte, er wäre mal Boxer gewesen). Jedenfalls hatten meine Kollegen und ich (ob nun Zoll, BGS oder Landespolizei) gehörigen „Respekt" vor diesem Mann, der tatsächlich einen recht "kräftigen" Eindruck erweckte (beim 3. Pol-Revier Lübeck soll er mal einen Beamten "vermöbelt" haben, ob es stimmt, weiß ich nicht). Keiner wollte einen rechten und/ oder linken "Haken" abbekommen…
Ich hatte also Kenntnis, dass er gerne einen bzw. "Mehrere" trank und ab gewissem „Pegelstand" Sehnsucht nach der Grenze bekam. Eines frühen Abends kam er mal wieder an die Abschrankung Lübeck-Eichholz, schon ordentlich was „intus". Er wollte „rübermachen" und ich konnte ihn nur dadurch davon abhalten, weil ich ihm sagte, dass ich in der nahen Schutzhütte des Zolls ein paar Flaschen Bier stehen hätte (was natürlich gelogen war). So ging er mit mir von der Abschrankung nach „hinten". Ich hatte Mühe, meine Funkleitzentrale zu unterrichten, dass ich „Verstärkung“ brauche. Von ihm unbemerkt, habe ich die Sprechtaste des Funkgeräts gedrückt und ihn in ein Gespräch verwickelt. So wusste „Baldur" (Sprechfunkzentrale des Hauptzollamts Lübeck-Ost), dass der gewisse Herr… an der Grenze war und was nun zu veranlasst werden musste. Ich hatte besagten Mann nun bei der Zollhütte und versuchte, auf Zeit zu spielen. Doch er wurde immer „unlustiger" und wollte endlich das versprochene Bier… ich fing an zu „schwitzen" ob der immer brenzliger werdenden Situation. Bevor er mir eine „verpassen" konnte, kamen zwei Streifenwagen der Landespolizei und „retteten" mich...
oben: Eine am 03.03.1987 von Unbekannt über die DDR-Grenzsäule Nr. 82 (unweit der Abschrankung Lübeck-Eichholz) gestülpte Unterhose. DDR-Grenzaufklärer versuchten an diesem Tage mehrmals, das Unterbekleidungsstück von der Säule (sie markierte nicht den Grenzverlauf, sondern stand mehrere Meter jenseits der Grenze auf DDR-Gebiet) zu entfernen. Da ich jedoch beim "Schlagbaum" Lübeck-Eichholz postierte, um diesen Moment mit der Kamera festzuhalten, warteten die DDR-Grenzsoldaten lieber bis zum Einbruch der Dunkelheit. So ärgerten sich beide "Parteien": Ich, weil es mir nicht gelang, diese Situation aufs Negativ zu bannen, und die Grenzaufklärer, weil sie sich wegen des „lauernden" Zollbeamten genötigt sahen, stundenlang in Nähe der Grenzsäule auszuharren (s/w-Foto: Grenztruppen der DDR)
Am 17.06.1987, am "Tag der Deutschen Einheit", war der „Feuerspucker" (siehe weiter oben) wieder an der Grenze. An diesem Tag betätigte er sich als auf dem Rücken liegender „Radfahrer". Zwar hatte ich dienstfrei, als er bei der Abschrankung Eichholz aufkreuzte, doch war ich gerade vor Ort und in der Lage, seine „Handlungen" fotografisch zu dokumentieren (auf dem s/w-Foto bin ich links zu sehen). Auch die DDR-Grenztruppe bzw. einer ihrer Angehörigen drückte auf den Auslöser der Kamera. Vom Wachturm, der sich gegenüber der Abschrankung Eichholz befand, hielt man die Darbietungen des "Radfahrers" mit einem Tele-Objektiv fotografisch fest.
6/1987
Grenzlage 6/1987
Tausende Besucher, welche an die Grenze kamen, um nach „drüben" zu schauen, zählten Zoll und Bundesgrenzschutz (BGS) in jedem Monat des Jahres. Ob aus dem Ausland oder der Bundesrepublik Deutschland kommend: Grenze und sichtbare Grenzsperranlagen der DDR zogen die Menschen zahlreich an. Oftmals wurden sie von Kräften des Zolls oder des BGS in den Grenzverlauf eingewiesen und mit vielen Informationen zum Thema „Grenze" versorgt. Die westdeutschen Grenzüberwachungsorgane waren stets darauf bedacht, dass „Nichtbeachtungen des Grenzverlaufs" (wie Zoll und BGS die Überschreitungen der Grenzlinie von West nach Ost bezeichneten) ausblieben. Zum einen, um die betreffende Person vor möglichen Folgen zu bewahren (z.B. Festnahme durch DDR-Grenztruppen, Verurteilung durch ein DDR-Gericht etc.), zum anderen um jegliche „Provokationen" zu vermeiden. Viel zu leicht konnten sich "Aktionen" zu einem schweren Grenzzwischenfall entwickeln. Im unteren Teil des oben gezeigten Bildes sind zwei männliche Personen zu erkennen, welche die Abschrankung Lübeck-Eichholz passiert haben und sich bereits auf dem Gebiet der DDR befinden. Soldaten der DDR-Grenztruppen, welche sich zu diesem Zeitpunkt auf dem nahegelegenen BT 11 („76") befanden, hielten diese „Grenzverletzung" und nach DDR-Recht „strafbare Handlung" fotografisch fest.
oben: Die Hauptabteilung I, Abteilung Äußere Abwehr, Unterabteilung 4, hat mit Datum 10.09.80 einen Vorschlag für das "Anlegen einer Übertrittsstelle an der Staatsgrenze DDR/BRD" erstellt. Genannter Ort sollte gemäß den "Festlegungen der Grundsatzdokumentation" nur in "entsprechenden Notfällen" benutzt werden.
„Taube“ in Anspruch zu nehmen, war meiner Meinung nach ein nicht zu unterschätzendes Risiko. Auch wenn im Bereich der Abschrankung Eichholz nicht ständig Kräfte von BGS und/oder Zoll postierten, so aber doch ziemlich oft.
Dass der „Raum zwischen Übertrittsstelle und Bahnlinie keinen Schwerpunkt in der Tätigkeit westlicher Sicherheitskräfte“ bildete ist im Kontext auf die gesamte innerdeutsche Grenze betrachtet sicherlich richtig. Jedoch war eben jener Raum durchaus Schwerpunkt von Kräften des Grenzzolldienstes, speziell der Grenzaufsichtsstelle(n) Eichholz. Im Waldgebiet nördlich der Abschrankung (in Richtung Lübeck-Schlutup) war aufgrund der vielen Bäume und des Buschwerks eigentlich nichts von den Sperranlagen der DDR zu sehen und der Raum daher eher „unattraktiv“ für Grenzstreifen. Wer was „sehen“ wollte, konnte das in diesem Raum eigentlich nur von der Abschrankung Eichholz und vor allem von der Bahnlinie aus, wo der Grenzzolldienst einen Hochstand unweit der Grenzlinie hatte. Insofern waren die Zollstreifen häufig in diesem Abschnitt. Vielleicht nicht immer ganz „freiwillig“, denn vor allem in den Sommermonaten verordnete die „Führung“ den Angehörigen des ZKom Lübeck-Süd „Dauerpostierung“ im Bereich des Schlagbaums, weil viele Besucher zur Grenze kamen und mit diversen „Nichtbeachtungen des Grenzverlaufs“ zu rechnen war für den Fall, dass weder Zoll noch BGS vor Ort waren.
Der Hochstand des GZD an der Bahnlinie war ebenfalls häufig besetzt. Die in der „Instruktion des MfS zu lesende Aussage „unmittelbar am Bahnkörper ist eine Holzhütte installiert, über deren Nutzung durch Sicherungskräfte nichts bekannt ist“, lässt mich zweifeln, ob die Aufklärungsergebnisse des MfS und der DDR-Grenztruppen diesbezüglich herausragend waren. Es war doch nun wirklich nicht allzu schwierig zu erkennen, dass sich in der Hütte gelegentlich Zollbeamte aufhielten (der BGS hatte keinen Schlüssel und die Angehörigen konnten den Hochstand zwar besteigen, aber lediglich „draußen“ auf der Sitzbank Platz nehmen). Die Grenzsoldaten, welche den Streckenläufer der Reichsbahn hin und wieder bis zur Grenzlinie begleiteten, hatten hier doch ganz besonders gute Möglichkeit zu beobachten, ob und wer am /im Hochstand postierte.
Selbst wenn keine Zoll/BGS-Streife im Bereich der Abschrankung Lübeck-Eichholz war und die Übertrittstelle „Taube“ genutzt wurde (wahrscheinlich auch nur dann, wenn keine Menschen und damit Zeugen vor Ort waren), so musste der „Geschleuste“ doch den Weg bis nördlich der Bahnlinie zurück legen. Zunächst wird er genügend „Deckung“ durch Buschwerk /Bäume im Bereich des vorgelagerten Hoheitsgebiets der DDR gefunden haben, ja. Aber eine im Bereich der Bahnlinie befindliche westdeutsche Grenzstreife hätte doch wohl mitbekommen, wenn sich eine Person im Bereich zwischen Grenzlinie und MGZ in Richtung Gleis bewegt.
Meiner Meinung nach war es ein großes Risiko, „Taube“ als Schleusungsstelle zu wählen. Ich kann mir gut vorstellen, dass im Falle einer Schleusung in diesem Raum zunächst sämtliche „Aufklärungsergebnisse“ abgefragt wurden. Hierzu zähle ich auch die Funkaufklärung (in Selmsdorf). Die dort tätigen Kräfte konnten sicherlich Auskunft darüber geben, ob sich Streifen des Zolls/BGS angemeldet hatten und wo mit ihnen zu rechnen war. Nun, es gab ja wirklich „Momente“, wo viele Kilometer „Grenze“ frei waren von westdeutschen Grenzüberwachungsorganen…
Zumindest frei von „im Dienst“ befindlichen Kräften. „Privat“ war ja mancher Kollege auch noch unterwegs. Wer wie ich Zollhundführer war, streifte oftmals auch noch im Grenzgebiet umher. Die Vierbeiner wollten/mussten „bewegt“ werden auch dann, wenn der jeweilige ZH-Führer dienstfrei hatte. „Wochenend-frei“ bedeutete nicht unbedingt, dass man erst am Montag wieder bei der Dienststelle erscheinen musste. Bereits am Samstag war man(n) wieder beim Zwinger, nahm seinen Hund und ging mit ihm los. Meine Hunde (zunächst ARCO, später ARIE) liebten es, in „ihrem Revier“ zu sein. Wenn ich all die vielen Stunden zusammen zählen wollte, die ich auch noch „privat“ an der Grenze unterwegs war, da hätte ich gut zu tun… ich will damit eigentlich nur sagen, dass das MfS nicht nur die im Dienst befindlichen / uniformierten Kräfte der bundesdeutschen Grenzüberwachungsorgane auf den „Zettel“ haben musste, sondern auch jene Beamte, die in zivil und „privat“ unterwegs waren.
1977
1978
zu obigen Zeitungsartikeln der Lübecker Nachrichten: relativ häufig kam es vor, dass Kinder den Grenzverlauf nicht beachteten und zum Beispiel mit Hilfe von Baumstämmen und Brettern, die von ihnen über den wasserführenden Landgraben gelegt worden waren, das Gebiet der DDR betraten. Auch ich als Angehöriger des Grenzzolldienstes habe gelegentlich Kinder beobachtet, welche Stege nach "drüben" bauten. Die Belehrungen blieben weitgehend fruchtlos, denn die noch so jungen Erdenbürger machten spätestens am nächsten Tag "weiter". Gewiss, es mag sie geärgert haben, dass Bundesgrenzschutz und Zoll die "Bauwerke" entfernten (siehe hierzu auch nachfolgenden Auszug aus einer Grenzlage-Meldung betreffend des Monats 4/1987), doch ließen sie sich ihre "Freuden" letztlich nicht nehmen.
Nach dem Fall der „Mauer"(9.11.1989) dauerte es nicht lange, bis der Wunsch, wieder einen Grenzübergang an der ehemaligen Straßenverbindung Lübeck- Eichholz/Herrnburg zu eröffnen, öffentlich geäußert wurde. Am 8.12.1989 wurde in Lübeck-Eichholz durch einen Zettelanschlag auf eine Veranstaltung in Herrnburg hingewiesen. Es war u.a. zu lesen:
- Entlastung des Bahnüberganges Lübeck-Herrnburg
- Entlastung des Straßenübergangs Selmsdorf-Schlutup
- Entlastung Lübecks von Kfz
- Besuch nahegelegener Sehenswürdigkeiten ohne Kfz
- Unterstützt uns Montag, d. 11.12.1989, 19.30 Uhr
Am Abend des 11. Dezember 1989 trafen etwa 150 Eichholzer und ein paar DDR-Bürger an der Abschrankung Eichholz ein. Einige von ihnen hatten Fackeln und Wunderkerzen mitgebracht. Was sich in Herrnburg tat, war von bundesdeutscher Seite kaum zu erkennen. Von zwei DDR-Bürgern kam schließlich die Mitteilung, dass in Herrnburg rund 200 Personen friedlich für die Öffnung eines Grenzübergangs demonstriert hätten; sie selbst wären dabei gewesen. Ein Oberstleutnant der DDR-Grenztruppen habe die Öffnung für Sonnabend, den 16.12.1989 zugesichert. Jubelschreie und lang anhaltender klatschender Beifall waren der „Lohn" für diese gute Nachricht.
11.12.1989
Am 13.12.1989 rückten DDR-Grenztruppen und zivile Kräfte mit „schwerem" Gerät an. Nachdem ein Stück vom Metallgitterzaun entfernt worden war, konnte man damit beginnen, die alte Verlängerung der Brandenbaumer Landstraße von Erde und Gebüsch zu befreien. Ich hielt unsere Funksprechzentrale "Baldur" über das aktuelle Geschehen auf dem Laufenden und zückte hin und wieder die Kamera, um die Ereignisse fotografisch festzuhalten
13.12.1989
oben: DDR-Grenztruppen sind mit LKW und Anhänger gekommen, um u.a. Betonpfähle und Metallgittermatten aufzuladen
13.12.1989
13.12.1989
13.12.1989
13.12.1989
13.12.1989
14.12.1989
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14.12.1989 - die Abschrankung Eichholz (1958 errichtet) wird abgebaut
14.12.1989
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14.12.1989
14.12.1989
oben: Die "Abschrankung Eichholz" befindet sich heute im Museum der Bundespolizeiakademie in Lübeck. Manfred Krellenberg (von 1983 bis 1990 zur Grenzaufsichtsstelle Eichholz des Grenzzolldienstes gehörend) fühlt sich sichtlich wohl, wieder beim "Schlagbaum Eichholz" zu sein und in Erinnerungen zu schwelgen
Meine erste Streife an der Grenze zur DDR:
Einen kurzen „Sonderurlaub“ hatte ich zuvor genossen, als ich am Dienstag, den 26.7.1983 meinen Dienst bei der Grenzaufsichtsstelle I Eichholz antrat. Die Ausbildung zu einem Beamten des mittleren Grenzzolldienstes war mit dem Bestehen der letzten Prüfungen in der vergangenen Woche abgeschlossen worden. Zwei Jahre Ausbildung, zuletzt in den Räumlichkeiten der Zollschule Bad Gandersheim, lagen hinter mir als ich nun meinem Wunsch bzw. meiner Bewerbung entsprechend meinen Dienst an der Grenze zur DDR aufnahm.
Die Grenzaufsichtsstelle (GASt) I Eichholz war im Zollkommissariat Lübeck-Süd in der Guerickestr.2-4 befindlich. Auf dem Areal befand sich nicht nur das eigentliche Kommissariats-Gebäude; es gab dort noch einige weitere „Baracken“, in denen auch Zollanwärter ausgebildet und untergebracht wurden. Als Zollanwärter fühlte ich mich nicht mehr, obwohl ich eigentlich noch einer war. Gewiss, ich hatte die Ausbildung absolviert und alle Prüfungen bestanden – aber den Rang „Zollassistent zur Anstellung“ verdiente ich erst ein paar Tage später, ab 1. August 1983.
Und als „Zollanwärter" bzw. abgekürzt „ZAnw“ unterschrieb ich den „Lieferschein“, als ich von Zollsekretär B. meine persönliche Ausrüstung in Empfang nahm. Da hielt ich sie nun in meinen Händen, die 9mm-Pistole SIG SAUER „P 6“ mit der Seriennummer 608043. Zwei Magazine und 12 Patronen dazu, ferner den dazugehörigen Pistolenkarton mitsamt „Anschuss-Bild“ und Kurzbeschreibung. Ich quittierte mit meiner Unterschrift gleichzeitig den Empfang von Pistolenholster, Ersatzmagazin-Etui sowie Stahlrute mit Tasche (siehe nachfolgendes Bild).
Die Räumlichkeiten der Grenzaufsichtsstelle I und II Eichholz hatte ich mir im Einzelnen noch gar nicht genau angeschaut, als ich diese erstmalig verließ, um Grenzaufsichtsdienst zu verrichten – „GAD“ an der Grenze im Raum zwischen dem Lübecker Stadtteil Eichholz und den mecklenburgischen Ortschaften Herrnburg und Palingen.
Karl-Heinz Schöning, der aB (aufsichtsführende Beamte) der GASt I Eichholz, ließ es sich nicht nehmen, persönlich seinen neuesten und jüngsten „Mann“ in den Grenzbereich einzuweisen. Wir gingen nach Verlassen der „GASt“ bzw. des „ZKom-Bereiches“ die Guerickestraße entlang in Richtung der Kleingartenanlage, welche sich ganz in der Nähe befand. Hier auf dem Gelände gab es einen Zollhundezwinger. Und in ihm befand sich u.a. Zollhund HASSO, welcher meinem „aB“ gehörte. Der Schäferhund begleitete uns nun auf den Weg in Richtung Grenze. Der Bereich der Kleingärten war durchschritten, als wir den „Heiweg“ erreichten. Wir querten die Straße Kirschenallee / An den Schießständen und begaben uns in das Waldgebiet des Wesloer Forsts. Nach rund einer viertel Stunde Fußmarsch kamen wir zum "FKK-Gelände", das sich an seinem ostwärtigen Ende genau am Landgraben und damit an der Grenzlinie zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Republik Deutschland befand. Hier war der nördlichste Punkt „meines“ Grenzabschnittes, den ich zukünftig zu bestreifen bzw. zu „überwachen“ hatte. „Links“ davon bzw. nördlich vom FKK-Gelände waren andere Kollegen für die Grenzüberwachung zuständig, für den Zoll betreffend die Kollegen der GASten Schlutup-Nord und Schlutup-Süd bzw. der GASten (mot) Lübeck-Süd und „A“ (Ausbildung). Nur wenn es mal von Nöten war, den Bereich nördlich des FKK-Geländes zu bestreifen (z.B. wenn keine Zollstreife in diesem Raum unterwegs war und Ereignisse – z.B. bei Anzeichen für „Grenzalarm“ – es erforderlich erscheinen ließen, nach dem „Rechten“ zu schauen) sollten wir Angehörigen der GASten Eichholz uns dorthin begeben. Im „Normalfall“ war der Bezirksbereich zu beachten bzw. einzuhalten. Die „Kleinen Schwedenschanzen“, die sich nördlich des FKK-Geländes anschlossen, ließen wir deshalb nicht nur sprichwörtlich „links liegen“.
Und so nutzte ich die Gelegenheit, jenen Schlüssel auszuprobieren, den ich am Morgen dieses Tages bekommen hatte. Ja, „er“ passte. Und so traten wir, die Doppelstreife mit Zollhund, in jenen Raum, wo „Freikörper-Kultur“ betrieben wurde. Ob wir „Nackte“ sahen, entzieht sich meiner Erinnerung. Aber ich weiß, dass wir unweit des Grenzgrabens weiter in südliche Richtung – Richtung Lübeck-Eichholz – gingen. Vorbei an einigen Wohnwagen, welche nun den „Nackedei-Freunden“ als Unterkunftsbereich dienten. Hätte ich zu dieser Zeit bereits gewusst, dass ganz in der Nähe ein Tunnel auf DDR-Seite war, der u.a. zum Schleusen von Personen genutzt wurde, so hätte ich fortan ein wesentlich größeres Augenmerk auf diese Örtlichkeit gelegt und mich dort öfter mal „auf die Lauer“ gelegt…
Als wir kurze Zeit später den Hochstand des Grenzzolldienstes bei „Schneiders Wiesen“ erreichten und uns dort für eine Weile niederließen, um zu „postieren“, fragte ich mich zum ersten Male, ob dieser „Punkt“ geeignet ist, um dort längere Zeit zu verweilen. Aufgrund der Bäume, die unweit des Landgrabens / Grenzgrabens im Laufe der Jahre in die Höhe gewachsen waren und die Sicht nach „drüben“ nahmen, konnte man(n) eigentlich nur „hören“, wenn auf DDR-Seite ein Fahrzeug den Kolonnenweg entlang fuhr – visuell wahrzunehmen war eigentlich kaum etwas, sofern es sich nicht um abgefeuerte Leuchtkugeln oder um patrouillierende Hubschrauber des „Warschauer Pakts“ handelte. Hmm – ziemlich „langweilig“ hier, dachte ich und hoffte, dass wir baldmöglichst die Streife in Richtung Lübeck-Eichholz fortsetzen würden. Und es kam der Moment des Aufbruchs. Jedenfalls wusste ich nun, welche „Nummerbezeichnung“ dieser Hochstand des Grenzzolldienstes hatte. Diese Nummer mussten wir am Ende der Streife im Dienstbuch vermerken und Auskunft darüber geben, wie lange wir uns dort aufgehalten hatten.
Weiter ging es in südliche Richtung. Der Weg führte uns mal etwas näher und mal etwas ferner vom Grenzgraben entlang. Dann erreichten wir den Behaimring und nach Durchschreiten desselben den Bereich an der Abschrankung Eichholz. Ob ich mir zu diesem Zeitpunkt bereits bewusst war, dass ich hier fortan den Großteil meiner Zeit als Angehöriger der Grenzaufsichtsstelle (I) Eichholz verbringen würde, weiß ich nicht mehr. Da bereits eine andere Streife des Grenzzolldienstes hier, am Ende der Brandenbaumer Landstraße, postierte, verließen wir nach „Kontaktaufnahme“ und „Plausch“ diesen „Besucher-Schwerpunkt“. Entlang des Landgrabens führte unser weiterer Streifenweg zur Bahnlinie Lübeck-Herrnburg. Hier hatte der Grenzzolldienst einen weiteren Hochstand gebaut / aufgestellt. Und von diesem Punkt aus konnte man den hiesigen Grenzbereich ganz besonders gut in Augenschein nehmen.
Während unserer Dauer der Postierung sahen wir einige Streifen der DDR-Grenztruppen und diese waren gemäß Anweisung zu „melden“. Erstmalig nahm ich das Funkgerät zur Hand, um der Zoll-Sprechfunkzentrale BALDUR von unseren Beobachtungen zu berichten. Den gesehenen „GT“ (Grenztrabant bzw. Trabant P 601 A) meldete ich genauso wie den „Robur LO“ oder die Kradstreife, welche auf dem Kolonnenweg entlang fuhr. Dass diese Weise der „Berichterstattung“ nicht unbedingt zu unserem Vorteil war, ahnte ich damals noch nicht. Ich wusste nicht von der Existenz der Funkaufklärer der DDR-Grenztruppen, welche vom nahen Selmsdorf aus den Sprechfunk der bundesdeutschen Grenzüberwachungskräfte abhörten, auswerteten und ggf. an andere Stellen meldeten. Dass meine Funksprüche auch geeignet waren, um meinen /unseren jetzigen Standort halbwegs zu bestimmen, war mir in diesen Momenten nicht wirklich bewusst…
Drei Züge sahen wir vom Grenzzolldienst-Hochstand aus die Grenzlinie passieren: einen Güterzug, der von Lübeck kommend den Grenzbahnhof Herrnburg ansteuerte, einen weiteren Güterzug, welcher gerade Herrnburg verlassen hatte und Richtung Bundesrepublik fuhr sowie den Personenzug „D 438“, welcher mit zahlreichen Passagieren unterwegs war, um von Stralsund kommend bis Köln zu fahren und im Lübecker Hauptbahnhof einen Teil der Reisenden im „Westen“ abzusetzen. Der weitere Streifenweg führte uns in Richtung des Flusses Wakenitz. Vorbei an Karpfenteichen, in deren Nähe Schlangen (Ringelnattern und auch Kreuzottern) vermehrt beobachtet werden konnten. Nach „unwegsamem“ Marsch gelangten wir dann an den südlichsten Punkt unseres zugeteilten Grenzabschnittes: hier befanden sich die „13 Pfähle“. Hölzerne Pfähle, welche vor Ort den Grenzverlauf markierten. Sumpfiges Gelände, das weniger zum Verweilen einlud. Nach Einweisung in diesen Grenzraum begaben wir uns wieder in Richtung Bahnlinie. Auf dem Weg dorthin zeigte mir „Kalle“ eine aus Stroh errichtete „Hütte“. Relativ klein und flach war sie und möglicherweise hätte ich diese gar nicht entdeckt, wenn mein „aB“ mich nicht zu ihr geführt hätte. Wir gingen zu ihr hin und setzten uns hinein. Vielleicht hatte ein Jäger diese mal gebaut, um von dort aus das Gelände zu beobachten und Tiere zu erlegen.
Nun saßen wir im Stroh. Was Kalle mir alles erzählte, kann ich heute nicht mehr sagen/schreiben. Aber ich weiß, dass ich mir schon damals sicher war, dass ich in dieser Strohhütte während meiner zukünftigen Nachtstreifen nicht postieren würde. Was sollte ich hier und allein bei Dunkelheit? Nein, das war mir doch etwas zu „unheimlich“ und selbst mit einem Zollhund an meiner Seite würde es kein „Vergnügen“ sein, sich in diesem Raum länger aufzuhalten.
Nachdem wir Zollhund HASSO wieder in seinem „Zuhause“ abgeliefert und verpflegt hatten, erreichten Kalle und ich die Räumlichkeiten der Grenzaufsichtsstelle I Eichholz. Zwar hatten wir „Spektakuläres“ nicht gesehen und letztlich nur routinemäßige „08/15“-Meldungen gen Zentrale BALDUR abgesetzt, so hatten mich doch eine Vielzahl von neuen Informationen innerlich stark beschäftigt und bewegt. Sicher war ich mir, meinen „Traumberuf“ gefunden zu haben. Als äußerst „spannend“ empfand ich diesen „Arbeitsplatz“. Dass ich diesen lediglich ein paar Jahre behalten konnte/durfte, steht auf einem anderen Blatt. Aber auf diesem wurde/wird auch deutlich, dass das „Leben“ weiterging/ weitergeht und es hinter dem Horizont immer „Neues“ zu entdecken gibt… "That´s Life“!
oben und unten: Die am 14.12.1989 abgebaute Abschrankung Eichholz im Museum der Bundespolizeiakademie Lübeck
1976
14.12.1989
14.12.1989
oben und unten: Zoll und Bundesgrenzschutz erhalten Container für die Grenzabfertigung
oben: Blick in Richtung Brandenbaumer Landstraße bzw. Lübeck. Links ist die Schutzhütte des Zolls in Höhe vom Behaimring zu sehen. Ein grauer VW-Bus des Grenzzolldienstes ist vor ihr abgestellt.
Auch am 16.12.1989, dem Tag der Öffnung der Grenze zwischen Herrnburg und Lübeck-Eichholz, war ich "live" dabei bzw. vor Ort. Während meines Dienstes fertigte ich die folgenden Foto/Filmaufnahmen:
16.12.1989
16.12.1989
16.12.1989
16.12.1989
16.12.1989
16.12.1989
Dezember 1989
Dezember 1989
Zum Abspielen des Videos das obere Bild anklicken
oben: Grenzübergang Lübeck-Eichholz / Herrnburg im Jahr 1990. Fotosammlung Gerd Wilcken, Bundesgrenzschutz
Als am Morgen des 16.Dezember 1989 die Grenze zwischen Lübeck-Eichholz und Herrnburg geöffnet wurde, gehörte auch ich zu den vielen Menschen, die vor Ort waren, um diesem Ereignis beizuwohnen. Ich machte Fotos und fertigte einige Videoaufnahmen. Gern wäre ich den rund 2500 Lübeckern, die an diesem Tag die Gelegenheit bekamen, ohne Visum und Vornahme des Zwangsumtausches nach Herrnburg einzureisen, gefolgt. Als im Dienst befindlicher und mit Pistole bewaffneter uniformierter Zollbeamter war mir das aber leider nicht möglich / gestattet gewesen.
Am 24. Dezember 1989 kam aber jener Moment. Zusammen mit meiner Ehefrau und deren Eltern ging ich „privat“ nach „drüben“. Obwohl die nunmehr offene Grenze mittlerweile ihr hässliches Gesicht weitgehend verloren hatte, so hatte ich doch im Augenblick der „Passkontrolle“ ein etwas mulmiges Gefühl. Seit 1983 verrichtete ich als Angehöriger des bundesdeutschen Grenzzolldienstes Streifendienst an der Grenze zur DDR im Raum Lübeck-Eichholz und traf während dieser Jahre viele Male auf Angehörige der DDR-Grenztruppen, oftmals direkt an der Grenze, manchmal keinen Meter von mir entfernt. Man betrachtete sich damals weniger als „Landsmänner“, sondern vielmehr als „Gegner“. Deshalb verspürte ich ein Gefühl der Erleichterung, als mir ein Angehöriger der Passkontrolleinheit (PKE) den Einreisestempel in meinen Pass drückte. Und ja, ein freundlich gesagtes „Guten Tag“ gab er uns auch mit auf den Weg nach Herrnburg. Noch am Tag vor der Grenzöffnung (9.11.1989) war es nahezu undenkbar gewesen, dass DDR-Grenzer den Tagesgruß, den wir Angehörigen von Zoll und Bundesgrenzschutz unserem "Gegenüber" bei einem Zusammentreffen an der Grenze leisteten, erwiderten (das war den DDR-Grenzern untersagt). Und nun hatten sie ein Lächeln im Gesicht und grüßten freundlich.
Der Marsch in Richtung Ortskern war für mich mit großen Emotionen verbunden. Jahrelang hatte ich während meiner Streifen- und Postierungsdienste nach „drüben“ geblickt. Bei Tag und Nacht. Herrnburg lag direkt vor mir und war für mich dennoch unerreichbar. Was für eine verrückte Welt: Es war machbar, dem australischen Sydney auf der anderen Seite unserer schönen Erde einen Besuch abzustatten, aber diesen nur wenige Meter entfernten Ort durfte ich nicht betreten. Und ich hätte doch so gern gewusst, wie es dort aussieht, wie man dort so lebt, was man dort alles erleben kann. Aber an der Grenzlinie war Schluss; bis dort und nicht weiter, nicht mal einen Schritt.
Heiligabend 1989 spazierte ich erstmals durch Herrnburg. Es hätte kein schöneres Weihnachtsgeschenk für mich geben können! Und ich fragte mich, wann es wohl soweit sein wird, bis die Metallgitterzäune, die DDR-Beobachtungstürme und sonstige Sperranlagen verschwunden sind, wir wieder vereint sein würden und Herrnburg kein Grenzort mehr ist, sondern „nur“ noch das, was er eigentlich ist: ein liebenswerter „Fleck“ mitten in Deutschland.
1949
oben: Taschenbuch für den Zollgrenzschutz aus dem Jahr 1949. Zum Öffnen der PDF-Datei obiges Bild anklicken
um 1950
oben: Grenzkontrollstelle Eichholz. Blick in Richtung Lübeck
um 1950
um 1950
oben: Gebäude der Grenzkontrollstelle Eichholz (um 1950)
um 1950
oben: Rampe für die Grenzabfertigung bei der Grenzkontrollstelle Eichholz (um 1950)
um 1950
oben: Grenzkontrollstelle Eichholz um 1950 - Blick in Richtung Herrnburg / DDR
um 1950
oben: Zollkontrolle bei der GKSt Eichholz (Aufnahme um 1950)
Im Mai 1952 gab die britische Militärregierung in Berlin bekannt, dass der Grenzübergang zwischen Lübeck-Eichholz und Herrnburg geschlossen und eine Grenzkontrollstelle bei Lauenburg errichtet würde. Proteste des Lübecker Senates sowie der Industrie- und Handelskammer Lübeck bei der Bundesregierung blieben fruchtlos, so dass – wie befürchtet – der Wirtschaft im hiesigen Raume nicht unerheblicher Schaden zugefügt wurde.
Am Tag der Schließung des Grenzübergangs Lübeck-Eichholz/Herrnburg, 15.05.1952, fand auch der Eisenbahnverkehr an der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg ein jähes Ende. Erst im März 1960 wurde der Grenzübergang in Lübeck-Schlutup/Selmsdorf wieder geöffnet, passierten auch wieder Züge über Lübeck/Herrnburg die „Zonengrenze".
Als am 27.5.1952 die (DDR-) Polizeiverordnung über die Einführung einer besonderen Ordnung an der Demarkationslinie in Kraft trat, nahm das „Gesicht" der Grenze sehr hässliche Züge an. Die Errichtung von Sperrzone (ca. 5 Kilometer tief), Schutzstreifen (ca.500 Meter tief) und Kontrollstreifen (10 Meter tief) führte zu sehr drastischen Einschnitten und Veränderungen.
Noch waren die von der DDR getroffenen Sperrmaßnahmen aber nicht so perfektioniert, dass sie eine Flucht aus der „SBZ" unmöglich machten; immer noch gelang es vielen Menschen, dem kommunistischen Regime den Rücken zu kehren. Zu ihnen gehörten auch jene DDR-Polizisten/Soldaten, die 1953, 1956, 1957 und 1958 den Eichholzer Zollbeamten in Uniform und teils noch bewaffnet in die Arme liefen.
Als im April 1958 die DDR-Behörden ihre Drahtsperre an der Straße zwischen Lübeck-Eichholz und Herrnburg ein paar Meter zurück verlegten, bestand nach Auffassung der westdeutschen Ämter die Gefahr, dass allzu Neugierige sich zu weit in Richtung Osten wagen und dann von DDR-Grenzpolizisten festgenommen werden könnten. In Übereinkunft mit Lübecker Senat und Polizei wollte man dieser Gefährdung nun durch die Errichtung einer Abschrankung begegnen. Mit ihrem Bau wurde am 10. April 1958 begonnen. Sie erhielt einen rot-weißen Anstrich und wurde allgemein als "Schlagbaum Eichholz" bezeichnet. Im Laufe der Zeit entwickelte sich hier ein reger Besucherverkehr, der einen beachtlichen Umfang einnahm. Die Soldaten der 1961 aufgestellten DDR-Grenztruppen, welche nun „drüben" Dienst verrichteten und insbesondere die DDR-Grenzaufklärer, die sich aufgrund ihrer Aufgabenstellung und politischen Zuverlässigkeit bis direkt an die Grenzlinie begeben durften, mussten sich manchmal vorkommen wie die „Affen im Zoo".
Da es vielen Grenzbesuchern nicht bekannt war, dass die DDR-Grenzsoldaten im Regelfall nicht berechtigt waren, Kontakt zu ihnen aufzunehmen (also noch nicht einmal den ihnen dargebotenen Tagesgruß zu erwidern), wurden die Angehörigen der DDR-Grenztruppen nicht selten als unhöflich empfunden und beschimpft.
Deshalb waren die Zoll- und Bundesgrenzschutzbeamten darum bemüht, die Grenzbesucher nicht nur in den Grenzverlauf einzuweisen, sondern ihnen auch Geschichte und Besonderheiten dieser Grenze näher zu bringen, was in den meisten Fällen dankbar angenommen wurde.
oben: Angehörige der DDR-Grenztruppen, Grenzaufklärer, an der DDR-Grenzsäule Nr. 82 (diese befand sich bei der Abschrankung Lübeck-Eichholz). Im Gegensatz zu den Grenzsteinen markierten die DDR-Grenzsäulen nicht den Verlauf der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik. Die schwarz/rot/goldenen Säulen aus Beton standen mehrere Meter jenseits der Grenzlinie auf dem Gebiet der DDR
oben: Entweder zum Gebiet der Bundesrepublik Deutschland oder zur Deutschen Demokratischen Republik gehörend - es gab kein "Niemandsland" an dieser Grenze, auch wenn im allgemeinen Sprachgebrauch vielfach davon die Rede war.
Grenzstein
Jene Steine, die den Verlauf der Grenze zwischen der Bundesrepublik Deutschland (BRD) und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) markierten, waren relativ klein (zumindest der Teil eines Grenzsteins, der nicht eingegraben und sichtbar war).
Und dennoch trennten sich genau hier zwei Welten, die unterschiedlicher kaum hätten sein können.
Welten, welche zwar die Farben Schwarz, Rot und Gold in ihren Flaggen/Fahnen trugen, aber jeweils anderen „Systemen“ angehörten.
An dieser Grenze bzw. in deren Nähe befindlich, fiel es im Anblick von Metallgitterzäunen, Wachtürmen, Sperrgräben und anderen Grenzsperranlagen schwer zu glauben, dass auch „drüben“ Deutschland war – von welcher Seite man es auch betrachtete.
oben: DDR-Grenzaufklärer unweit der Abschrankung Lübeck-Eichholz (Foto: Lothar Kröger)
oben: "hoher" Besuch von der Oberfinanzdirektion Kiel: Oberfinanzpräsident Hansen und Finanzpräsident Radomski im Gespräch mit dem Zollbeamten Lothar Kröger bei der Abschrankung Lübeck-Eichholz am 9.7.1984 (Fotosammlung Lothar Kröger)
oben: Ein DDR-Grenzsoldat, ein "Grenzaufklärer" (Gesicht aus Datenschutzgründen unscharf maskiert) an der Grenze bei der Abschrankung Lübeck-Eichholz. Gemäß dem Schild "Halt! Hier Grenze" (vom Bundesgrenzschutz aufgestellt) ist zu erkennen, dass der Soldat sich in unmittelbarer Nähe der Grenzlinie befindet. Auf dem Kunststoffpfahl steht "2 d 20". Das bedeutet, dass sich genau hier der Grenzpunkt "20" im Grenzzug "d" des Grenzabschnitts "2" befindet. Siehe hierzu nachfolgende Grenzkarte
oben: Grenzkarte vom Grenzabschnitt "2", Grenzzug "d"
oben: DDR-Grenzsoldaten unweit vom Grenzpunkt "21" im Grenzzug "d" des Grenzabschnitts "2" (bei der Abschrankung Lübeck-Eichholz)
aus der Grenzlage
Zu obigem Ausschnitt aus der Grenzlage Juni 1987: Dass DDR-Grenzer und Angehörige bundesdeutscher Grenzüberwachungsorgane sich etwas entgegneten, wenn diese an der Grenze aufeinandertrafen, kam zumindest in den 1970 und 1980er-Jahren nicht allzu oft vor (von den Ereignissen ab 9.11.1989 abgesehen). In der Regel wurde bereits der von Bundesgrenzschutz- und Zollstreifen ausgesprochene Tagesgruß nicht erwidert; die Soldaten der DDR-Grenztruppen durften es entsprechend den ihnen erteilen Befehlen auch nicht.
Die Kräfte der westdeutschen Grenzüberwachungsbehörden waren bereits überrascht, wenn ein „Ost-Grenzer“ darauf reagierte und auch einen „guten Morgen/guten Tag“ wünschte.
Im Bereich des Zollkommissariats Lübeck-Süd gab es für dessen Angehörigen die Anweisung, den DDR-Grenzsoldaten nichts über den üblichen Tagesgruß hinaus zu sagen. Alles darüber hinaus war zu unterlassen. Auf anderes als den Tagesgruß – und war das Gesagte auch noch so „banal“ (z.B. Frage nach Fußballspielergebnissen) – hätte die Zollstreife wie folgt reagieren und dem/die Grenzsoldat(en) antworten müssen: „Wünschen Sie ein Kontaktgespräch mit dem Dienststellenleiter?“
Hätte man(n) es bejaht, hätte der bundesdeutsche Zollbeamte per Funk entsprechende Bitte an die Sprechfunkzentrale BALDUR des Hauptzollamts Lübeck-Ost weiterleiten müssen. Und falls nicht (was zu erwarten war) hätte kein weiteres Wort seitens des Zöllners mehr gesagt und die weitere sich ergebende Situation spätestens am Ende der Streife gemeldet und schriftlich niedergehalten werden müssen.
oben: hochwertige Optik kam gelegentlich unweit der Grenzlinie zum Einsatz: hier ein Carl Zeiss Asembi 80/500 Großfernglas auf Stativ
1983
oben: DDR-Grenzaufklärer (GAK) an der Grenze bei Herrnburg bzw. der Abschrankung Eichholz. Die meisten "GAK" verbargen ihr Gesicht mittels Fernglas, Fotoapparat oder Händen, wenn sie bemerkten, dass sie abgelichtet werden sollten. Mancher Angehörige der DDR-Grenztruppen drehte sich dann auch um.
Bevor wir "südwärts" in Richtung Groß Grönau schreiten , bleiben wir noch einen Moment an der Abschrankung Lübeck-Eichholz und vergleichen die beiden im Anschluss gezeigten Bilder miteinander.
1978
1985
Schilder mit dem Begriff "Zonengrenze" gab es Mitte der 1980er Jahre nur noch in geringer Menge an der Grenze zur DDR. Es war in der Regel nur noch von "Grenze" die Rede. Statt z.B. "HALT HIER ZONENGRENZE" hieß es nun "HALT HIER GRENZE". Auch die Schilder betreffend der "MINEN" hatten nach Sprengung derselben ausgedient und wurden abgebaut.
1962
oben: aus den Lübecker Nachrichten Nr.187 vom 14.08.1962
oben: Minen verschiedener Typen können im Kreismuseum Ratzeburg betrachtet werden. Siehe http://www.kmrz.de/index.htm
oben: Minen-Sperrabschnitte im Grenzraum gegenüber der Hansestadt Lübeck
1984
1984
1984
oben: Minensprengung bei Herrnburg - Fotosammlung Gerd Wilcken, BUNDESGRENZSCHUTZ
1984
Zu obigen Bildern: Als Gegenleistung für den der DDR im Jahre 1983 gewährten Milliardenkredit war von bundesdeutscher Seite u.a. gefordert worden, die an der innerdeutschen Grenze befindlichen Bodenminen und die Selbstschussanlagen zu beseitigen. Der Staatsratsvorsitzende der DDR, Erich Honecker, stimmte den Bedingungen zu. Als 1984 ein Fernschreiben von „drüben" kam, in dem mitgeteilt wurde, dass im hiesigen Raume Sprengarbeiten an der Grenze durchgeführt würden, waren im Grenzraum gegenüber Lübeck bereits umfangreiche Arbeiten am Schutzstreifen- bzw. Grenzsignalzaun durchgeführt worden bzw. noch in Ausführung.
Zu den Kräften, die nun seitens von BGS und Zoll dazu eingeteilt wurden, die Sprengarbeiten zu beobachten und die Zahl der detonierten Minen festzustellen, gehörte auch ich. In dem mir zugeteilten Grenzabschnitt (Raum Lübeck-Eichholz) konnte ich zunächst aber nur hören, dass Minen explodierten; aufgrund der vielen Bäume bzw. des dichten Buschwerks war vom „Boden" aus so gut wie nichts zu erkennen. Ich musste warten, bis der Panzer, der „drüben" zum Zwecke der Minensprengung zum Einsatz kam, den Raum Herrnburg erreichte.
Als es endlich soweit war, konnte auch ich beobachten, wie sich dunkle Wolken vom Boden aus in die Luft erhoben. Große Mengen Staub und Dreck wurden von den detonierten Minen aufgewirbelt. Vor allem der Pulverdampf nahm dem Panzerfahrer bereits nach kurzer Zeit die Sicht, so dass er halten und pausieren musste. Dann legte er wieder den Vorwärtsgang ein und nahm die nächsten 20 Meter in „Angriff".
Der Minengürtel im Raum gegenüber Lübeck war insgesamt rund 10 Kilometer lang. Ca. 40.000 Detonationen stellten Bundesgrenzschutz und Zoll in diesem Gebiet letztlich fest. Als der Minenräumpanzer vom Typ „T 55" seine Arbeit getan hatte, suchten Pioniere der DDR-Grenztruppen nach eventuell noch vorhandenen Minen. Mit Sondierstangen stocherten sie vorsichtig in der Erde herum und wurden gelegentlich fündig. Diese Minen wurden dann einzeln gesprengt.
oben: südostwärts von Groß Grönau endete seinerzeit der Bereich, wo im hiesigen Grenzraum Bodenminen/Erdminen verlegt worden waren. Es folgten dann jene Räume, wo Selbstschussanlagen vom Typ SM-70 am Metallgitterzaun bzw. dem "Grenzzaun I" installiert waren.
Nachdem die Minen gesprengt worden waren, hatte der doppelreihige Metallgitterzaun (MGZ) ausgedient. Es wurde ein einreihiger MGZ bzw. Grenzzaun I errichtet, der höher war als der zweireihige, welcher schließlich demontiert wurde (siehe nachfolgende Bilder).
bei Herrnburg
oben: Mochte das Gebiet vom Metallgitterzaun bis zur eigentlichen Grenzlinie im jeweiligen Grenzabschnitt auch relativ klein erscheinen, so summierte sich dieser Raum bezogen auf die gesamte Grenzlänge doch zu einer riesigen Fläche. Verständlich, dass die DDR bestrebt war, dieses Gebiet weitgehend zu nutzen. Da die erforderlichen Arbeiten in der Regel von Angehörigen der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) ausgeführt wurden, stellten die DDR-Grenztruppen oftmals Bewachungskräfte ab. Die Soldaten hatten dann u.a. sicherzustellen, dass die eingeteilten Arbeitskräfte das Territorium der DDR nicht verließen. Manchmal wurde Trassierband gespannt, um deutlich zu machen: bis hierhin und nicht weiter! Wer dann die „rote Linie" überschritt, hatte u.a. mit der Anwendung der Schusswaffe zu rechnen.
oben und unten: Arbeiten an der Grenze bei Herrnburg (1984). DDR-Grenzsoldaten bewachen die Arbeiter
bei Herrnburg
Obiges Foto wurde vom Hochstand des bundesdeutschen Grenzzolldienstes an der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg aufgenommen. Es zeigt u.a. die Führungsstelle der DDR-Grenztruppen bei Herrnburg.
Herrnburg 2017
Im Jahr 2017 stehen hier, im ehemaligen "Grenzgebiet" bzw. "Schutzstreifen" viele Häuser. Ob all die vielen Menschen, die hier in Herrnburg nun wohnen, wissen, wie es hier "früher" aussah? Dass es hier, an der Grenze, hell erleuchtet war durch die "Lichtsperre" und die Scheinwerfer der DDR-Grenztruppen?
bei Herrnburg
12/1987
bei Herrnburg
bei Herrnburg
oben: Während einer Nacht im Winter des Jahres 1983 an der Grenze bei Herrnburg. Vom Hochstand des Grenzzolldienstes beim "Bahndamm" hatte man im Abschnitt der „Grenzaufsichtsstelle Eichholz" den besten Blick auf die Grenzsperranlagen der DDR. In den nächtlichen Stunden, wo es keinen grenzüberschreitenden Zugverkehr gab, war es für die Angehörigen der westdeutschen Grenzüberwachungsorgane besonders „ruhig". Für etwas Abwechslung sorgten dann oftmals nur die Fahrzeuge der DDR-Grenztruppen, die den Kolonnenweg befuhren. Und waren diese dann wieder dem Blickfeld des Beobachtenden entschwunden, kehrte wieder Stille ein. Ja, so eine mehrstündige Postierungszeit konnte sich gefühlsmäßig ganz schön in die Länge ziehen. Zwischen 2.00 und 05.00 Uhr morgens war es besonders „hart", sich voll und ganz auf seine dienstlichen Aufgaben zu konzentrieren. Fast jeder kam irgendwann an einen „toten" Punkt. Diesen zu überwinden und nicht einzunicken, war eine Herausforderung, der man sich immer wieder stellen musste.
bei Herrnburg
Der Hochstand des Grenzzolldienstes, welcher sich an der Bahnlinie Lübeck-Bad Kleinen nur wenige Meter von der Grenzlinie entfernt unweit von Herrnburg befand, war für die westdeutschen Grenzüberwachungsorgane zu jeder Tages-und Nachtdienstzeit Anlauf- und Postierungspunkt. Auch wenn dieser Hochstand nicht ständig besetzt war, so doch sehr oft. Eine gefühlte "halbe Ewigkeit" habe auch ich dort verbracht.
oben: Blick vom Hochstand des bundesdeutschen Grenzzolldienstes auf den Grenzbereich an der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg. Im Hintergrund ist der Bahnhof Herrnburg und links davor ein Beobachtungsturm der DDR-Grenztruppen erkennbar. Im Vordergrund ist ein vom Bundesgrenzschutz aufgestelltes Grenzhinweisschild zu sehen, ein paar Meter dahinter - bereits auf DDR-Gebiet - zwei DDR-Grenzsäulen.
oben:Eine Aufnahme aus dem Winter 1983/1984. Es zeigt Soldaten der DDR-Grenztruppen unweit des Grenzverlaufs bei der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg. Zu dieser Zeit gab es noch die Minenfelder. Hinten links ist der doppelreihige Metallgitterzaun zu erkennen.
Anfang 1984
oben: Zollbeamter Manfred Krellenberg fotografiert DDR-Grenzaufklärer bei der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg. Das Bild, das er fertigte, ist unter diesem Foto zu sehen
Das oben gezeigte Bild entstand Ende 1983 oder Anfang 1984, die zwei danach präsentierten Fotos wurde später aufgenommen. Der doppelreihige Metallgitterzaun (Zwischenraum vermint) ist bei Fertigung der unteren Bilder durch einen einreihigen und höheren Metallgitterzaun ersetzt worden. Auch das Eisenbahn-Signal bei der Einfahrt zum Bahnhof Herrnburg ist nun ein anderes.
oben: Grenzbereich beim Bahnhof Herrnburg, vermutlich zweite Hälfte der 1960er-Jahre
oben: Grenzbereich bei der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg Mitte/Ende der 1960er-Jahre. Fotosammlung Gerd Wilcken, Bundesgrenzschutz
oben: Bereich beim Bahnhof Herrnburg Mitte der 1960er-Jahre. Fotosammlung Gerd Wilcken, Bundesgrenzschutz
oben: Grenzbereich bei der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg Anfang der 1980er-Jahre. Fotosammlung Gerd Wilcken, Bundesgrenzschutz
Herrnburg um 1970
um 1970
oben: Bahnhof Herrnburg (um 1970)
um 1970
oben und unten: Grenzbereich bei Lübeck-Eichholz
um 1970
oben: Grenzbereich bei Herrnburg
oben: als die "Minenfelder" (zwischen dem zweireihigen Metallgitterzaun) noch existierten: Grenzbereich bei Herrnburg. Fotosammlung Gerd Wilcken, Bundesgrenzschutz
1985
oben und unten: Grenzbereich beim Bahnhof Herrnburg im Jahr 1985
1985
oben: Bahnhof Herrnburg im Jahr 1985
2014
oben und unten: der Bereich beim ehemaligen Grenzbahnhof Herrnburg im Jahr 2014
2014
1985
oben: Grenzbereich bei Herrnburg
oben: Grenzbereich südöstlich der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg im Jahr 1988. Fotosammlung Gerd Wilcken, Bundesgrenzschutz
oben: der Beobachtungsturm BT 11 (von den Grenzüberwachungsorganen der Bundesrepublik Deutschland Mitte/Ende der 1980er-Jahre als Punkt "1378" bezeichnet, südlich der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg. Fotosammlung Gerd Wilcken, Bundesgrenzschutz
um 1970
oben: Bereich "Herrnburger Abzugsgraben" um 1970. Fotosammlung Gerd Wilcken, Bundesgrenzschutz
2017
oben: Erst im Jahre 2017 habe ich mir jenes Gebäude, das auch im unten gezeigten Bild zu sehen ist, aus der Nähe angeschaut. Ich befand mich in einer Gruppe ehemaliger Grenzer aus Ost und West auf einer Tour entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze, als wir gemeinsam den Raum bei Herrnburg "erkundeten", um in Erinnerungen zu schwelgen.
Einige Jahre lang habe ich dieses Gebäude im Blickfeld gehabt, als ich an der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg auf dem Hochstand des Grenzzolldienstes an der Grenze bei der Bahnlinie-Lübeck-Herrnburg postierte. Bei Tag und bei Nacht.
Was sich wohl in dieser „Scheune“ befindet, das fragte ich mich damals. Was es war und was es zurzeit ist, das fragte ich mich auch im Jahr 2017, als wir ehemaligen Grenzer dieses Gebäude passierten.
oben: Wenn im Grenzbereich - wie hier bei Herrnburg - "Baumaßnahmen" realisiert wurden, kamen auch schwere Lastkraftwagen sowjetischer Bauart zum Einsatz. Hier ein "KrAZ", welcher westlich des Grenzsignalzauns bzw. Schutzstreifenzauns unterwegs ist
2.7.1988
oben und unten: Errichtung eines Sicherheitsbauwerks für die Technik des GSSZ / GSZA80. Einbau in einem Kanaltrog. Raum Herrnburg, unweit des BTv nördlich der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg
2.7.1988
zu den Bildern oben und unten: Beobachtungsturm der DDR-Grenztruppen beim Bahnhof Herrnburg nördlich der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg. Im unteren Foto sind Rundumleuchten (Rul) zu erkennen, die beim BTv ("77") installiert worden sind. Die rote oder die grüne Rul blitzte auf, wenn beim dort befindlichen Grenzsignalzaun "Alarm" ausgelöst wurde. Zusätzlich ertönte ein Signalhorn. Später wurde der "stille Alarm" eingeführt; Rundumleuchten und Signalhörner wurden daraufhin nicht mehr benötigt und demontiert.
August 1987
Alarmauslösung am Grenzsignalzaun - eine rote Rundumleuchte und ein Signalhorn sind in Betrieb gegangen (grafische Darstellung /Fotomontage). Scheinwerfer leuchten den Schutzstreifen ab. Wer oder was hat den Alarm ausgelöst? Ein Mensch oder vielleicht nur ein Tier? In Kürze wird eine Alarmgruppe der DDR-Grenztruppen erscheinen, um die vor Ort befindlichen Grenzposten zu unterstützen - .... ja, so war es einmal, als die innerdeutsche Grenze noch existierte und es den "stillen Alarm" noch nicht gab. Die Alarmauslösung mittels Rundumleuchten und dem Ertönen von Signalhörnern hatte den Nachteil, dass nun auch der "Republik-Flüchtige" gewarnt war und sicherlich versuchte, schnellstmöglich von hier wegzukommen. Auch die bundesdeutschen Grenzüberwachungsorgane wie Grenzzolldienst und Bundesgrenzschutz konnten - sofern in der Nähe - jetzt ein besonderes Augenmerk auf diesen Grenzabschnitt legen und Zeuge dessen werden, was sich an der Grenze ereignete.
zu obiger grafischen Darstellung: Es ist mitten in der Nacht. Die Zeiger der Uhr stehen auf 02.17, als ich eine "LK 3-Stern Rot“ in den Himmel steigen sehe. Nur wenige Sekunden sind diese Leuchtkugeln sichtbar. Und noch bevor sie erlöschen, haben sie mich – einen Angehörigen des bundesdeutschen Grenzzolldienstes – in einen Zustand größter Anspannung versetzt. Ja, das Herz schlägt nun schneller als zuvor – viel schneller. Alle Müdigkeit ist im Nu verflogen. Das monotone Grau/Schwarz der Nacht hat seine bleierne Schwere verloren – bedeutet dieses Signal GRENZALARM?
Es dauert nicht lange und es ist zu erkennen, dass die Grenztruppen der DDR ihre Aktivitäten in diesem Raum verstärken. Suchscheinwerfer leuchten den Schutzstreifen ab und tauchen diesen in „gespenstisches" Licht. Vielleicht schon bald auch einen Menschen, der sich auf der Flucht befindet und der damit rechnen muss, dass er den "Westen" nicht erreicht... Mein Herz klopft ganz laut, während ich zum Funkgerät greife, um meiner Leitzentrale vom Vorkommnis zu berichten.
oben: Im September 1987 beobachteten Zoll und Bundesgrenzschutz neun Suchaktionen der DDR-Grenztruppen diesseits und jenseits des Schutzstreifen- bzw. Grenzsignalzauns im Bereich gegenüber des Bezirks vom Hauptzollamt Lübeck-Ost
1983
oben: DDR-Grenzsoldaten mit LKW IFA W50 bei der Fütterung der im Schutzstreifen befindlichen Hunde. Die Aufnahme entstand im Jahr 1983 bei Herrnburg, nördlich der Bahnlinie Lübeck-Bad Kleinen
12/1987
1983
oben: Ein DDR-Grenzsoldat geht zu Fuß auf dem Kolonnenweg. Hinter ihm fährt in Schrittgeschwindigkeit ein Fahrzeug der DDR-Grenztruppen (ein Robur LO). Auf dem Dach des Führerhauses ist ein Suchscheinwerfer montiert. Grenzraum bei Herrnburg im Jahr 1983, nördlich Bahnlinie Lübeck-Bad Kleinen. Vor bzw. hinter dem zweireihigen MGZ sind Schilder zu erkennen. Diese warnen vor den Minen, welche zwischen den beiden Metallgitterzäunen liegen.
Das Motorengeräusch eines "Robur LO" ist und bleibt einzigartig bzw. unvergesslich. Unzählige Male habe ich es während meiner Dienstzeit an der innerdeutschen Grenze gehört. Selbst wenn man dieses Fahrzeug aufgrund Nebel, Dunkelheit oder sonstigen "Hindernissen" nicht gesehen hatte, so konnte man damals gewiss sein, dass hier, an der Grenze, ein "LO" unterwegs war! Im Juni 2011 war ich erstmals mit so einem LKW unterwegs - auf der "Panzerbahn" in Jüterbog. Namensvetter "Manfred" diente als Fahrlehrer und hatte mit seiner überaus freundlichen und kompetenten Art und Weise großen Anteil daran, dass diese Fahrt in diesem LO für meinen Bruder und mich zu einem ganz besonderen Ereignis wurde. DANKE sagen Volker und ich!
Robur LO
Robur LO
Robur LO
Robur LO
Robur LO
Robur LO
Robur LO
Robur LO
Robur LO
Robur LO
Kolonnenweg
12/1987
1988
zu den beiden oberen Fotos: Dieser BTv (Beobachtungsturm viereckig) stand beim Bahnhof Herrnburg und wurde von mir am 15.05.1988 fotografisch abgelichtet. Ich befand mich im D-Zug 438, welcher gerade aus dem Bahnhof Herrnburg in Richtung Grenze bzw. Lübeck fuhr. Meinen langjährigen Brieffreund Jens Behrens hatten meine Frau und ich in Stralsund besucht, als ich auf der Rückfahrt nach Lübeck das oben gezeigte Bild fertigte. Ich ging dabei ein hohes "Risiko" ein, denn das Fotografieren von Bahnhofs- und Grenzanlagen war laut den DDR-Gesetzen streng verboten. Was wäre passiert, wenn das Ausfahrtsignal plötzlich auf "Halt" gestellt worden wäre und der Zug noch vor Erreichen der Grenzlinie hätte stoppen müssen? Aber es ging letztlich alles gut...
... und so kann auch das nachfolgend gezeigte Bild vom Bahnübergang Herrnburg hier veröffentlicht werden. Vor der Schranke steht ein Mann in der Uniform der DDR-Grenztruppen, wahrscheinlich zu den PKE (Passkontrolleinheiten) gehörend. Bei dem LKW handelt es sich um einen IFA W 50 der DDR-Grenztruppen.
bei Herrnburg
bei Herrnburg
Auch die oben gezeigte Aufnahme entstand am 15.05.1988 im Raum des Bahnhofs Herrnburg. Gut zu erkennen ist das kleine Tor im Metallgitterzaun in Höhe des Beobachtungsturms ("77"), durch das Soldaten der DDR-Grenztruppen gelegentlich kamen, um den Streckenläufer der Reichsbahn auf der Schiene bis zur Grenzlinie zu begleiten oder um am späten Abend bzw. am frühen Morgen Signaldrähte/-schnüre zu legen/entfernen.
7.7.1988
oben: DDR-Grenzsoldaten am Morgen des 7.Juli 1988 beim Entfernen von Signalschnur/-draht westlich des Bahnhofs von Herrnburg. Schnur/Draht waren am Abend zuvor über das Gleis an der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg gelegt worden. Von Seiten des DDR-Grenzregimes erhoffte man sich, dass Personen, welche hier die Grenze von Ost nach West oder aber auch von West nach Ost überschritten, Schnur bzw. Draht übersehen und berühren würden. Bei ausreichendem Zug auf Schnur/Draht wäre ein Leuchtsignal und /oder ein akustisches Signal in Aktion getreten und hätte den/die "Grenzverletzer" sehr wahrscheinlich in das Visier der DDR-Grenztruppen gebracht.
oben und unten: Streckenläufer der Reichsbahn in Begleitung von DDR-Grenzsoldaten an der Grenzlinie bzw. Bahnlinie Lübeck-Herrnburg
oben: Bundesdeutsche Zollbeamte bei einer Lok der (DDR-)Reichsbahn. Siehe hierzu auch den nachfolgenden Zeitungsartikel
Oben: Dieser Zeitungsbericht wurde in den Lübecker Nachrichten Nr. 86 (13.04.1975) veröffentlicht.
Bei der Grenzkontrollstelle (GKSt) Moisling wurde auch ich zeitweise eingesetzt. Ein altes Backsteingebäude an der „Buntekuhbrücke" in Lübeck beherbergte diese kleine und gemütliche Dienststelle. Es gab die Schichten „B1", "B2" und "A". Wer B1-Dienst hatte, musste um 06.30 Uhr tätig werden. Ein Bundesbahn-Beamter, der in einem Büro nebenan saß, brachte sogleich die Papiere für den nächsten grenzüberschreitenden Zug. Früh morgens konnte es nur ein Güterzug sein, der entweder Lübeck in Richtung Herrnburg verlassen wollte oder der erste Güterzug, der an diesem Tag aus der DDR bzw. von Herrnburg kam. Gegen 07.30 Uhr hatte der Kollege, der B2-Dienst hatte, bei der GKSt Moisling zu erscheinen. Gemeinsam trat man dann später den Weg zum Lübecker Hauptbahnhof an, um den aus Stralsund kommenden Personenzug D 438 abzufertigen. Ein Kollege stand an der Absperrung und kontrollierte, der andere (der den B2-Dienst hatte) bestieg den Zug, um mit nach Hamburg Hauptbahnhof zu fahren. Er hatte nicht nur nach steuerpflichtigen Waren Ausschau zu halten, sondern war auch dazu da, um den Bundesbürgern, die aufgrund ihres Alters berechtigt waren, ihre gezahlten Visagebühren erstattet zu bekommen, entsprechendes Formular auszuhändigen. Man konnte froh sein, wenn man das in der Zeit (ca. 45 Minuten) schaffte, denn mitunter war der D 438 sehr voll. Wer A-Dienst hatte, musste 14.30 Uhr bei der Dienststelle sein. Er war bis zum Dienstende (gegen 21.30 Uhr, hing vom letzten grenzüberschreitenden Zug ab) allein und musste in Eigenregie entscheiden, was zu tun war.
Am Nachmittag hatte der Kollege der A-Schicht zum Hauptbahnhof zu gehen, um den ausgehenden Personenzug (D 439) abzufertigen. Wenn der aus Richtung Köln über Hamburg in den Lübecker Hauptbahnhof einlief, blieben nur wenige Minuten Zeit, um vor allem den Gepäckwagen zu „inspizieren". Die Zollpapiere warfen gelegentlich Fragen auf. Manche Kiste musste auf meine Anordnung wieder ausgeladen werden, um (von anderen Kollegen) später überprüft zu werden. Es gab durchaus Fälle, wo moderne Technik/Teile für Computeranlagen in Richtung Osten gehen sollte(n), wo eine Ausfuhr nicht gestattet war. Anschließend eilte der Kollege wieder in Richtung GKSt Moisling. Es gab Tage, da fuhren nur wenige Züge; da ging es dann relativ „ruhig" zu. An anderen Tagen sah das anders aus und man hatte gut zu tun, die Papiere für den kommenden/abfahrbereiten Zug „fertig" zu bearbeiten, bevor der nächste Güterzug vom Bundesbahner angekündigt wurde. Wenn irgendetwas „unrund" lief oder „verdächtig" erschien, wurde dem Beamten der Bundesbahn gesagt: „Den Waggon XY will ich sehen, der muss aufgemacht werden". Dann liefen wir beide gemeinsam zum Güterzug. Bei Regenwetter nicht angenehm, aber danach ging es ja auch nicht. Und wenn ich dann Beschau machte, musste das natürlich protokolliert werden. War ich mir ob des Ergebnisses nicht sicher bzw. wenn ich vermutete, dass etwas „faul" sein könnte, bekam der Bundesbahn-Kollege von mir Anweisung, dafür Sorge zu tragen, dass entsprechender Waggon abgekoppelt wurde. Dann dauerte es in der Regel nicht lange, bis jemand von einer Firma anrief und sich beschwerte, dass die Ware beim Zoll „festhing".
21.3.2018
11/1989
Auch am Abend des 9.11.1989 - dem Tag des "Mauerfalls" bzw. der Öffnung der innerdeutschen Grenze - war ich im Dienst. Ich hatte eine Zeit lang bei der Abschrankung Lübeck-Eichholz verbracht, als ich meine Streife fortsetzte. Mein Zollhund ARIE war dafür besonders dankbar, denn längere Zeit auf „einem Flecken" stehen, das mochte auch er nicht besonders gern.
Der Marsch in südliche Richtung zu unserem Beobachtungshochstand an der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg nahm einige Zeit in Anspruch. Während mein vierbeiniger Begleiter sich für die verschiedenen Düfte in „seinem" Revier interessierte und sich ganz dem Markieren „seines" Abschnittes widmete, beobachtete ich soweit es möglich war die Grenze, die auf DDR-Seite durch eine Lichtsperre beleuchtet wurde. Eine motorisierte DDR-Grenzstreife fuhr den Kolonnenweg entlang und wurde für eine Zeit lang sicht- und/oder hörbar. Das unentwegte Bellen der bemitleidenswerten „Leinenhunde", die im Schutzstreifen ihren Teil zur Sicherung der Grenze beizutragen hatten, begleitete uns durch die „Finnlandsiedlung". Kaum war „Am Teufelsmoor" durchschritten und das Ende der beleuchteten Straße erreicht, umhüllte mich völlige Dunkelheit. Ich verließ mich in dem vor uns liegenden kleinen Waldstück einige Augenblicke ganz auf meinen Hund. Nur noch wenige Meter, dann waren wir am hölzernen Beobachtungshochstand, welcher sich unweit der Grenzlinie befand, angekommen. Ein Blick nach Osten verschaffte mir schnell Gewissheit, dass auch hier alles seine gewohnte Ordnung hatte; besondere Vorkommnisse waren nicht festzustellen.Und so richtete ich mich auf eine ruhige Nacht ein und setzte in unregelmäßigen Zeitabständen das Fernglas vor die Augen. Herrnburg lag direkt vor mir und war für mich dennoch unerreichbar. Was für eine verrückte Welt: Es war machbar, dem australischen Sydney auf der anderen Seite unserer schönen Erde einen Besuch abzustatten, aber diesen nur wenige Meter entfernten Ort durfte ich nicht betreten. Und ich hätte doch so gern gewusst, wie es dort so aussieht, wie man dort so lebt, was man dort alles erleben kann.
Mir gingen viele Gedanken durch den Kopf. Was wäre eigentlich gewesen, wenn ich damals, an jenem Tag im Februar 1964, nicht in Lübeck, sondern ein paar Kilometer weiter östlich, in der DDR, zur Welt gekommen wäre? Wenn ich dort aufgewachsen und zur Schule gegangen wäre? Hätte mein Leben nicht vielleicht einen ähnlichen Verlauf genommen wie das jener Angehörigen der DDR-Grenztruppen, die sich mir gegenüber befanden?
Ich wartete auf den letzten grenzüberschreitenden Zug. Nachdem dieser schließlich den Grenzbereich durchfahren hatte, verließen normalerweise die beiden Soldaten, welche auf dem Beobachtungsturm beim Bahnhof Herrnburg Dienst verrichteten, „ihren" BT, um dann durch ein kleines Tor im Metallgitterzaun auf die Bahnlinie zu gelangen, wo von ihnen ein Draht (der bei genügender Berührung das Zünden von Signalpatronen nach sich zog) gespannt wurde. Aber an diesem Abend wartete ich vergeblich darauf. Äußerst „wachsam" war ich - wie bei allen bisher geleisteten Nachtdiensten, weil ich doch nur zu gut wusste, dass Menschen, welche aus der DDR flüchten wollten, oftmals den Schutz der Dunkelheit suchten, um ihr Vorhaben zu realisieren.
Plötzlich fing ARIE an zu bellen. Dann nahm auch ich Schrittgeräusche wahr. „Halt! Zoll!", rief ich. Schon sah ich die schemenhaften Umrisse eines aus Richtung Westen kommenden Menschen, der aufgrund seiner Uniform nun als Kollege vom Zoll erkennbar wurde. Es war der „BzbV", wie wir den „Beamten zur besonderen Verwendung" nannten. Ich wollte dem Vorgesetzten, Herrn Bosselmann, gerade Meldung erstatten, da kam er mir zuvor: „Herr Krellenberg, was machen Sie denn noch hier? Die Grenze ist doch offen!" Ich stand da wie vom Blitz getroffen. Grenze offen? Einfach unmöglich! Nein, ich konnte es zunächst nicht glauben und brauchte etwas Zeit, um zu realisieren, dass es sich nicht um einen Scherz, sondern um die Wahrheit handelte. Die Nachricht war überwältigend – die Grenze ist offen – unfassbar, Wahnsinn, einfachfantastisch!
Am Grenzübergang Lübeck- Schlutup/Selmsdorf hätten bereits etliche DDR-Bürger mit „Trabis" und "Wartburgs" die Grenze passiert, berichtete mir der BzbV. Und schon verabschiedete sich der Kollege wieder. Bevor er sein Auto bestieg, um wieder in Richtung Schlutup zu fahren, wo sich schon zahlreiche Menschen freudig umarmten, hatte er mich noch beauftragt, wieder den Schlagbaum Eichholz anzulaufen. Schließlich sei nicht auszuschließen, dass sich aufgrund der jetzigen Lage besondere Geschehnisse an dieser Abschrankung ereignen würden. Ein paar Minuten blieb ich noch an meinem Postierungspunkt und schaute nach „drüben“. Nichts ist nun mehr so wie es früher war, das wurde mir in diesen Augenblicken erst so richtig bewusst. Niemals in meinem bisherigen Leben habe ich Glücks- und Trauermomente zeitgleich und in solchem Maß verspürt! Als Deutscher empfand ich unendliche Freude über die Öffnung der Grenze und ich wollte sie jetzt mit allen, die mir in dieser Nacht noch über den Weg liefen, gerne teilen. Aber auf der anderen Seite ahnte ich, dass meine Tage als an der Grenze zur DDR Dienst verrichtender Zollbeamter gezählt waren und ich schon bald an einen anderen Dienstort versetzt würde.
Meine in all den Jahren bestehende Hoffnung, eine gelingende Flucht eines DDR-Bürgers zu beobachten und diesen dann hier in Empfang zu nehmen und hilfreich zur Seite zu stehen, diese Hoffnung hat sich nicht erfüllt. Was würde es für meine Kollegen und mich zukünftig überhaupt noch in dem uns zugewiesenen Grenzabschnitt zu tun geben? Es schien mit einem Male vieles so sinnlos geworden zu sein und die sich nun in mir immer breiter machenden „Ängste" waren, wie sich schon recht bald heraus stellen sollte, durchaus berechtigt.
Noch kurz bevor ich mich am Abend des 9.11.1989 auf den Weg zur Grenzaufsichtsstelle Eichholz machte, um wieder mal an der innerdeutschen Grenze zwischen Lübeck-Eichholz und der mecklenburgischem Ortschaft Herrnburg Streifendienst zu verrichten, dachte ich an den kommenden Tag. Am 10. November würden wir, die Angehörigen des Zollkommissariats Lübeck Süd, uns am Abend versammeln, um an einer Feier teilzunehmen. Anlass zu diesen Feierlichkeiten war die sogenannte „Schießpreisverteilung“. Beim im Frühjahr 1989 stattgefundenen Vergleichsschießen der Oberfinanzdirektion (OFD) Kiel bzw. der Zollkommissariate im Bezirk des Hauptzollamts Lübeck-Ost (Büchen, Ratzeburg, Lübeck-Süd) hatte ich innerhalb des ZKom Lübeck-Süd den 2. Platz erreicht mit der „P 6“, unserer 9mm-SIG SAUER-Pistole. Ein Pokal erwartete mich – und auf den (nebst Urkunde) freute ich mich.
Als ich diesen dann in den Händen hielt, war ich geistig wahrscheinlich ebenso weit entfernt von der eigentlichen „Sache“ wie meine Kollegen; das Klatschen für meinen „Erfolg“ nahm ich kaum wahr, vielleicht auch deshalb, weil es irgendwie in der „Geschichte“ unterging.
Wo war ich in diesen Minuten mit meinen Gedanken? Schon dort, wo ich bereits ein paar Monate später meinen Dienst verrichten musste? Nein, an Hamburg, an das Zollkommissariat Freihafen und die Grenzaufsichtsstelle Nord dachte ich (glücklicherweise) noch nicht. Doch war ich mir bereits in diesen Stunden bewusst, dass meine Tage gezählt waren an der innerdeutschen Grenze, hier in Lübeck, im Stadtteil Eichholz.
Noch am Abend zuvor war die Welt für mich in „Ordnung“. Nichts deutete daraufhin, dass sich die Grenze öffnen würde zwischen Ost- und Westberlin und zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland. Gewiss, ich hatte „registriert“, dass sich „drüben“ Einiges tat und es in der „Küche“ ordentlich brodelte. Dass aber die Töpfe dort dermaßen überlaufen und am Ende das Gericht „Öffnung der Grenze(n)“ auf den (gesamtdeutschen) Tisch gezaubert würde – daran habe ich zu keiner Zeit geglaubt!
Es war für mich gleichsam ein „Wunder“ und eine „Katastrophe“, als ich am späten Abend des 9. November 1989 realisierte, dass jener Vorgesetzte, der mich an der Grenze bei der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg von der „Grenzöffnung“ in Kenntnis setzte, die Wahrheit sagte.
Auf der einen Seite war ich zutiefst erfreut und dankbar, diese Momente erleben zu dürfen. Zwar sah ich in diesen Augenblicken nicht die vielen Trabis, Wartburgs und sonstigen Autos, welche gerade über die GÜSt Selmsdorf nach Lübeck fuhren (kurz darauf dann aber doch - siehe https://www.youtube.com/watch?v=_-YwIynj8js&t=6s ), aber in meinen Gedanken waren sie bereits so präsent wie die Worte meines Vorgesetzten, der mir berichtete, was er kurz zuvor vor Ort gesehen hatte. Die Grenze ist offen – und was soll ich dann noch hier? Da kommt doch nun keiner mehr über die „grüne Grenze“ und begibt sich in Gefahr, wenn er jetzt ohne Probleme über die Grenzübergangsstelle(n) in die Bundesrepublik kommen kann, dachte ich. Vielleicht müssen die Menschen noch nicht mal ihren Ausweis vorzeigen und werden von den Passkontrolleinheiten (PKE) einfach durchgewunken gen „Westen“. Und ich stehe hier nun an der Grenze, an der „grünen Grenze“ und fühle mich jetzt „nicht mehr gebraucht“ und „leer“. Was mögen die Grenzsoldaten denken, die sich in den Beobachtungstürmen gegenüber meinem Standort befinden? Ob auch sie bereits wissen, dass ihr Dasein nun bald genauso überflüssig ist wie meine Anwesenheit? Was passiert heute Abend noch, was morgen, übermorgen, in den nächsten Wochen und Monaten? Fragen, die ich nicht nur, aber auch als sehr belastend empfand am späten Abend des 9. November 1989.
Dass ich nicht verzweifelte an den „Szenarien“, die ich mir ausmalte, lag in der Freude begründet, die ich als Deutscher empfand. „Live“ dabei zu sein, wenn „Osten“ und „Westen“ sich in den Armen liegen und vor Freude und Glück weinen, ist ein Geschenk. Ein Geschenk von unermesslichem Wert! Und dafür werde ich immer DANKE sagen! Gleichwohl ist der Moment des „Mauerfalls“ jener gewesen, wo ich meinen Traumberuf bzw. diese Tätigkeit, die mir so viel Freude gegeben hatte, zu verlieren begann. Wegen der innerdeutschen Grenze bin ich als 17-Jähriger zum Grenzzolldienst gegangen. Einen überaus spannenden „Arbeitsplatz“ hatte ich gesucht und einen solchen auch gefunden. Zugegeben: ich wünschte, ich hätte „ihn“ behalten. Ganz egoistisch betrachtet, hätte die Grenzöffnung am besten erst einen Tag vor meiner Pensionierung stattgefunden. Dass sie schon so viel früher kommen sollte, habe ich nicht für möglich gehalten. Ich will darüber nicht „klagen“, will nicht „böse“ oder „traurig“ sein – als Deutscher und vor allem als „Mensch“ will ich dankbar sein für „das“, was uns widerfuhr. So einfach ist es heute für mich, nach „drüben“ zu gehen/fahren. Herrnburg war damals für mich unerreichbar – am Grenzstein war „Schluss“; weiter durfte ich nicht. Und ich habe mich in unzähligen Diensten, bei Tag und Nacht, gefragt, wie es dort wohl aussehen mag. Wie man dort lebt und was man dort alles erleben kann. Dass ich mich heute zu jeder Zeit davon überzeugen kann /darf, dass auch dort nichts anderes als Deutschland ist, ist etwas, das – die „Geschichte“ betrachtend – alles andere als selbstverständlich ist.
oben: Ausschnitt aus einem Video (das Bild anklicken):Manfred Krellenberg erinnert sich an den Abend des 9. November 1989
Die folgenden Fotoaufnahmen betreffend des Bereichs beim Bahnhof Herrnburg wurden nach der "Wende" / Grenzöffnung gefertigt. Das kommende Bild habe ich selbst gemacht, die danach folgenden acht Aufnahmen aus dem Jahr 1990 stammen von Herrn Christoph Arndt und Karsten Pelzer.
1990
1990
1990
1990
1990
1990
1990
1990
2017
oben und unten: beim damaligen Grenzbahnhof Herrnburg: Verwaiste Gleise dort, wo früher Interzonenzüge abgefertigt wurden.
2017
oben: Der BT 11 ("78") südlich der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg vor und nach der Grenzöffnung
oben: Auszug aus einer "Postentabelle" der DDR-Grenztruppen. Ein DDR-Grenzsoldat, der im Grenzraum bei Herrnburg eingesetzt war und in die Bundesrepublik Deutschland flüchtete, brachte sie mit in den "Westen"
oben: Grenzgebiet bei Lübeck-Eichholz / Herrnburg (um 1970)
An der Wakenitz, beim Beginn des Grenzzuges „f" des Grenzabschnitts „2", endete der Bezirk der Grenzaufsichtsstelle(n) Eichholz. Hier, bei den „13 Pfählen", war das Gebiet teilweise sehr sumpfig und ließ manche Grenzbegehung zu einem „Abenteuer" werden.
Diese „Grenzbegehungen" gab es regelmäßig. Dabei galt es, den gesamten Abschnitt der Grenzaufsichtsstelle unmittelbar an der Grenzlinie abzugehen und zu kontrollieren, ob alle Grenzmarkierungen noch intakt und an Ort und Stelle waren.Vor allem südlich der Bahnlinie Lübeck-Eichholz/Herrnburg wird es teilweise sehr sumpfig, insbesondere in Nähe der Wakenitz. Doch galt es, auch dort zu schauen, ob die sogenannten „13 Pfähle" noch dort standen, wo sie hingehörten. Es war ein Abenteuer! Manchmal musste man von einer Baumwurzel zur nächsten hüpfen, um nicht wegzusacken.Und die Gefahr des „Nicht-Treffens" war groß! Wer glaubte, dass er das nicht tun müsse, weil vor ihm augenscheinlich fester Boden war, wurde oftmals eines Besseren belehrt. Ein „falscher" Schritt ... und man sank ein in den Sumpf! Ein ordentliches Fluchen bei dem Kollegen, den es traf! Und ein schadenfrohes Lachen bei den Kameraden, die (noch) auf festem Boden standen! Man(n) sah aus wie ein „Schwein"! Die Uniform total verdreckt, dazu durchnässt! Nun, hier in der „Wildnis" sah das keiner, außer uns. Aber auf dem Rückweg zur Grenzaufsichtsstelle, die ja innerhalb der „Zivilisation" lag, war es für den verdreckten Beamten peinlich, sich so in der Öffentlichkeit zeigen zu müssen.
oben: ein hölzerner Grenzpfahl, wie er auch an der Wakenitz bei den "13 Pfählen" befindlich war
oben: die alte Karte zeigt den Grenzverlauf im Raum südlich von Lübeck
Absalonshorst, an der Wakenitz bei Lübeck gelegen, war schon damals ein beliebtes Ziel für Ausflügler aus Nah und Fern. Nähere Infos u.a. hier: http://wiki-de.genealogy.net/Absalonshorst
1970
2014
1985
oben: Grenzraum südwestlich Herrnburg (um 1985)
oben: der BTv ostwärts Habershorst. Im Vordergrund der doppelreihige Metallgitterzaun (Zwischenraum vermint). Fotosammlung Gerd Wilcken, Bundesgrenzschutz
um 1970
oben: Grenzraum "Am Vierth" in Groß Grönau um 1970
um 1970
oben: Grenzraum Lenschower Tannen
um 1970
oben: Grenzbereich beim "weißen Berg" unweit von Lenschow. Der im Bild zu sehende hölzerne Turm, links vom "BT 11", ist ein sogenannter "trigonometrischer Punkt".
1985
oben: Grenzraum bei Schattin im Jahr 1985
oben: Das zu Mecklenburg/DDR gehörende Dorf Lenschow fiel im Jahr 1975 den Grenzsicherungsmaßnahmen der DDR zum Opfer; es wurde geschleift. Nähere Informationen siehe auch hier: http://www.lenschow-in-memoriam.de/aktuell.html Auch die bei Nädlershorst befindliche Wochenendsiedlung und das beliebte Fährhaus, eine Gaststätte, existieren zwischenzeitlich nicht mehr; sie wurden im Zuge der Schaffung von Naturausgleichsflächen für die Autobahn A 20 abgerissen. Vor Ort entstand im Jahr 2008 eine neue Brücke über die Wakenitz.
Nädlershorst
A 20 im Jahr 2014
1959
oben: Grenze bei Lenschow / Nädlershorst in den 1960er-Jahren. Im unteren Teil des Bildes ist der Fluss "Wakenitz" zu erkennen (Fotosammlung Gerd Wilcken BUNDESGRENZSCHUTZ)
oben: Führungspunkt / Führungsstelle der DDR-Grenztruppen unweit Schattin bzw. im Raum gegenüber von Nädlershorst. Es handelt sich hier um den BTv (FP) "81". Fotosammlung Gerd Wilcken BUNDESGRENZSCHUTZ
1985
oben: Gebäude der DDR-Grenztruppen bei Schattin
2014
1985
oben: Grenzraum bei Schattin. Aufnahme aus dem Jahr 1985
April 1984
um 1970
Südlich von Nädlershorst, in Richtung Rothenhusen, befindet sich Ziegelhorst. Auf dem Foto, das um 1970 aufgenommen wurde, sind u.a. ein Beobachtungsturm der DDR-Grenztruppen (ein BT 11) und der doppelreihige Metallgitterzaun zu erkennen
um 1970
oben: Grenzbereich bei Rothenhusen um 1970
oben: Zoll und Bundesgrenzschutz spiegelten die ihnen bekannten "Vorkommnisse" an der Grenze in ihren Lageberichten wider
um 1970
oben: Brücke bei Rothenhusen. Das Gebiet der DDR begann am östlichen Ufer des Flusses "Wakenitz"
um 1970
oben: VW-Bus des Zolls bei der Brücke Rothenhusen
um 1970
oben und unten: beim Fährhaus Rothenhusen
um 1970
um 1970
Bei Rothenhusen, an der Nordspitze des Ratzeburger Sees, endete der Bezirk der Grenzschutzabteilung Küste 1 und des Zollkommissariats Lübeck-Süd. In diesem Bereich gab es damals mehrere Fluchtversuche aus der DDR, die teilweise erfolgreich verliefen.
Für die Überwachung des sich anschließenden Grenzabschnittes zeichneten von Seiten der Bundesrepublik Deutschland nun Angehörige der Grenzschutzabteilung Küste 2 und des Zollkommissariats Ratzeburg verantwortlich
2014
oben und unten: der ehemalige Grenzbereich bei Rothenhusen im Jahr 2014
2014
Utecht
oben: Grenzraum bei Utecht um 1970
Folgende vier Fotos aus der Sammlung meines Kollegen Peter Schröter (ehemals zur GASt Groß Grönau gehörend). Vielen Dank dafür!
Fährhaus Rothenhusen
Ratzeburger See
Fährhaus Rothenhusen
Buch-Empfehlung
oben: der Tatsachenbericht von Günter Hagemann "FAHNENFLUCHT - Über die Wakenitz in die Freiheit" betreffend der Flucht des damaligen Grenzers Christian Neumann ist sehr interessant und empfehlenswert.
Buch-Empfehlung
oben: Das von Herrn Kuno Karls herausgegebene Buch "Es war einmal eine Grenze..." berichtet vom Entstehen und Vergehen der deutsch-deutschen Grenze vom Priwall bis zur Elbe und beinhaltet eine Vielzahl von interessanten / sehenswerten Fotos. Ich kann dieses Buch sehr empfehlen.
oben: zur Erinnerung an Herrn Friedrich Karl Sardatzki. Auch ich habe "Fritzchen" mal nach Hause gebracht. Er war ein liebenswerter Mensch und in seinem Wesen "einzigartig" - eben ein "Eichholzer Original". Leb wohl, auf Wiedersehen!
Auf Grenzstreife (Bericht von Manfred Krellenberg)
Der Wecker kommt nicht zum Einsatz. Noch bevor er mich aus meinen Träumen reißen kann, stelle ich ihn aus. Wieder mal habe ich ihn nicht gebraucht. Es ist 02.45 Uhr an diesem Tag im Jahre 1987. Für die einen ist es „mitten in der Nacht", für die anderen „früh am Morgen". Wie man es auch betrachtet: es ändert nichts an der Tatsache, aufstehen zu müssen. Nein, ich habe kein Problem damit – ein „Morgenmuffel" bin ich nicht! Was nicht heißen soll, dass ich nicht gern länger schlafe.
Um 03.40 Uhr habe ich meine Dienststelle, die Grenzaufsichtsstelle I Eichholz in Lübeck, Guerickestraße 2-4, erreicht. Alle Räumlichkeiten sind dunkel; es ist kein anderer Kollege da. Ich schließe die Eingangstür hinter mir wieder ab; sicher ist sicher – gerade zu dieser „unchristlichen" Zeit. Stahlrute, Pistole, Munition, Signalpfeife, Verbandmaterial und Streifen-/Erkennungsmappe sind dem Spind zügig entnommen. Ab geht es zur sogenannten „Lade-Ecke“. Schon ist die 9 mm-Faustfeuerwaffe vorschriftsgemäß durchgeladen und kann in das Holster gesteckt werden. Jetzt wird ein frischer Akku in eines der aus dem Schrank geholten Funkgeräte getan. Ich schaue auf den am „schwarzen Brett" befindlichen Zettel, der Aufschluss darüber gibt, wie die einzelnen Streifen sich bei der Sprechfunkzentrale während des laufenden Monats zum Dienstbeginn anzumelden haben. „Zigarettenmarke", ist zu lesen.
FUG 10a
„Baldur von Baldur 2/55 kommen", sage ich, nachdem ich die Sprechtaste des eingeschalteten Geräts (FUG 10a) gedrückt habe. „Baldur 2/55 von Baldur kommen", höre ich und antworte daraufhin mit der Nennung von bekannten Glimmstängeln. „Verstanden, Ende Baldur". Der Kollege hat es „gut"; in etwas mehr als zwei Stunden hat er Feierabend – und für mich fängt der Dienst erst an. Aber nein, so will ich es nicht sehen, schließlich gehe ich gern auf Streife. Auf „Patrouille" entlang der innerdeutschen Grenze – zwischen dem Lübecker Stadtteil Eichholz und der Ortschaft Herrnburg, welche sich auf der mecklenburgischen Seite dieser Trennlinie zwischen West und Ost befindet.
Mit meiner Unterschrift im Dienstbuch bin ich offiziell im Dienst. In einer viertel Stunde, wohlgemerkt. Nicht bereits jetzt, gegen 03.45 Uhr, denn der Frühdienst, der für heute angesetzt ist, darf laut bestehender Regelung nicht vor 04.00 Uhr begonnen werden. Und ist dieser Dienst angetreten, hat man(n) ganze 10 Minuten Zeit, um sich vorzubereiten. Dann muss die Dienststelle in Richtung Grenze verlassen werden. „Trödler" sollen so etwas „auf Trab" gebracht und daran erinnert werden, dass die warmen und trockenen Diensträume nicht dazu da sind, um hier länger zu verweilen. Nun, aus diesem Grunde bin ich auch heute bereits sehr früh hier, um mir jene Zeit nehmen zu können, die ich für eine gute Dienstvorbereitung benötige. Ich brauche nicht hetzen und lese mir die letzten Meldungen, die meine Kollegen in den Streifenmeldeblock geschrieben haben, sorgfältig durch. So wie es sich darstellt, ist wirklich Außergewöhnliches nicht dabei; lediglich die routinemäßigen Streifenfahrten/-gänge von den Angehörigen der DDR-Grenztruppen wurden dokumentiert.
Dann kann es ja nun gleich losgehen. Nein, doch noch nicht – zuvor muss ich mich entscheiden, wie lange mein Frühdienst gehen soll. Wenigstens fünf Stunden sind Pflicht, länger als acht Stunden nicht erlaubt, sofern besondere Vorkommnisse dies nicht rechtfertigen. Ich trage „11.30 Uhr" als voraussichtliches Dienstende in die vorgesehene Spalte des Dienstbuchs ein. Die Anzahl der während des Monats zu leistenden Tag- und Nachtdienststunden will schließlich erfüllt sein. Im Dienstbuch werden nun auch eine „Anlaufzeit" und eine „Postierungszeit" eingetragen. Vorgesetzte wollen/sollen/müssen wissen, wo bzw. wann sie mich in meinem zu überwachenden Grenzbezirk antreffen können, falls sie das zu tun gedenken. Nun gut. 07.00 Uhr werde ich, sofern nichts „dazwischen“ kommt, an der Abschrankung Lübeck-Eichholz anzutreffen sein. Und mindestens in der Zeit zwischen 09.00 bis 09.30 Uhr beabsichtige ich, am Hochstand des Grenzzolldienstes bei der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg zu postieren. Wenn, ja wenn alles normal verläuft. Aber was ist schon „normal" an dieser Grenze! „Sie" ist dermaßen unnatürlich, dass sie zu jeder Tages- und Nachtzeit etwas ganz „Außergewöhnliches" darstellt. Kann es einen interessanteren Arbeitsplatz geben?
Bevor ich aufbreche, kontrolliere ich, ob auch wirklich alles dabei ist, was ich benötige. Das Fernglas ist umgehängt, aber die Taschenlampe fehlt noch. Wenn es auch bald hell wird, so regiert doch noch die Dunkelheit. Die dienstlich gelieferte schwache „Funzel" bleibt im Schrank. Ich greife lieber auf meine privateigene starke Halogen-Lampe zurück, falls Licht gebraucht wird. Die Fotokamera-Ausrüstung möchte auch noch mit - eine „Spiegelreflex“ mit 500 mm-Teleobjektiv.
oben: Manfred Krellenberg am 08.03.1988 bei der Abschrankung Lübeck-Eichholz. Foto und "Auswertungsvermerk" (Grenzaufsichtsstelle Eichholz, Schutzhundführer) wurden von einem DDR-Grenzaufklärer gefertigt. Krellenberg, Regenbekleidung tragend, hat eine Spiegelreflex-Kamera mit 500mm-Teleobjektiv in den Händen
Da ich einer Grenzaufsichtsstelle angehöre, die lediglich zu Fuß und/oder mit dem Fahrrad unterwegs ist, will gut überlegt sein, was man(n) alles mit sich führt. Die Kollegen, denen ein Dienstkraftwagen zur Verfügung steht, brauchen sich diesbezüglich weniger Gedanken zu machen. Ich schon! Jedes Gramm zusätzliches Gewicht macht sich bemerkbar. Und dennoch: was sein muss, muss sein. Dazu gehören auch die hohen Lederstiefel, die ich trage – zu jeder Jahreszeit. Nein, mit gewöhnlichen Halbschuhen gehe ich nicht los. Sollen die anderen Kollegen es ruhig machen, wenn sie das für angemessen halten. Ich denke da etwas anders drüber und weiß, dass ich eventuell auch dort entlang muss, wo es in das „Gelände" geht. Sollte ich Pech haben und auf eine Schlange treten, so würde mich ein eventueller Biss wahrscheinlich nicht schädigen. Allein schon aus diesem Grund sind die schweren Stiefel für mich unverzichtbar. Ich trage sie, auch im Sommer bei über 30 Grad im Schatten!
Fünf Minuten nach Vier. Ich verlasse die Räume der Grenzaufsichtsstelle I Eichholz, die sich im Gebäude des Zollkommissariats Lübeck-Süd befinden. Erste Anlaufstation ist der Hundezwinger im Kleingartengelände bei der Straße „An den Schießständen". In ungefähr 10 Minuten werde ich ihn erreicht haben. Doch heute dauert es etwas länger. Am Lebensmittelmarkt, welcher sich an der Ecke Gutenbergstraße/Hans-Sachs-Straße befindet, sehe ich eine rote Alarmleuchte blitzen. Nun, wahrscheinlich Fehlalarm. Dennoch schaue ich mir das Gebäude näher an. Mit der starken Halogen-Taschenlampe leuchte ich in das Innere des Geschäfts hinein – und sehe zwei Männer, die sich darin befinden. Einbrecher! Sekunden später wird meine Funkleitzentrale informiert. Es dauert keine drei Minuten, da rauscht der erste „Peterwagen" heran. Ich verlasse diesen Ort, nachdem die Personen vorläufig festgenommen und in das Polizeiauto verbracht worden sind. Der Tag fängt ja „gut" an, denke ich.
Kurz vor Erreichen des massiven Gebäudes, wo einige Zollhunde des Zollkommissariats Lübeck-Süd untergebracht sind - auch meiner - höre ich plötzlich laute Geräusche. Mit fürchterlichem Krach flitzen ungefähr 20 Meter vor mir zwei Wildschweine aus dem Gebüsch und suchen das Weite. Spätestens jetzt wäre auch die größte „Schlafmütze" wach gewesen! Ja, das war ein gehöriger Schrecken! Glück gehabt, dass diese Situation glimpflich verlief, denn mit „Schwarzkitteln" ist nicht zu spaßen.
2014
Als ich jene Tür aufschließe, die mich noch von meinem Diensthund ARIE trennt, fällt aller Ballast von mir ab – endlich bin ich wieder mit meinem vierbeinigen Freund vereint, sind wir zusammen und können wieder gemeinsam auf Streife gehen. Das freudige Gebell meines privateigenen Diensthunds lässt keinen Zweifel daran, dass auch ARIE so denkt. Mit einem „Affenzahn" saust er umher und springt mich immer wieder an, so glücklich ist er. Ja, das bin auch ich! Es gibt kaum Schöneres, als diese Momente, die auf diese Weise zum Ausdruck bringen: WIR GEHÖREN ZUSAMMEN!
„Komm, mein Freund; ich mache jetzt erst mal deinen Zwinger sauber“, sind meine weiteren Gedanken. Soweit es überhaupt möglich ist, soll er sich hier einigermaßen wohl fühlen. Dass seine Schlafstätte gut gepolstert ist, gehört für mich dazu. Der Wassernapf wird neu gefüllt und das Trockenfutter, das er später zusammen mit seinem geliebten „Pansen" erhält, jetzt soweit vorbereitet, dass es nachher, bei Dienstschluss, servier-fertig ist. Die anderen Hunde, die sich in dieser Zwingeranlage befinden, tun mir leid. Auch sie möchten endlich raus, möchten sich bewegen. Ach, ich würde sie gern alle mitnehmen! Aber leider darf sich jetzt nur mein ARIE freuen. Alle anderen Tiere müssen sich noch etwas gedulden, bis auch ihr „Herrchen" erscheint und sie „holt". Möge es recht bald geschehen.
Gute fünfzehn Minuten später erreichen ARIE und ich den Behaimring. Keine Menschenseele weit und breit zu sehen, obwohl hier viele Leute wohnen.
Man sagt, dass die Zöllner alle „Sträucher in ihrem Beritt" kennen – ja, so ist es tatsächlich. Wer fast täglich in einem relativ kleinen Bereich unterwegs ist, weiß, wie es dort aussieht und was dort hingehört. Das ist der Vorteil des Zolls! Im Gegensatz zu den Beamten des Bundesgrenzschutzes, die nur wenige Male im Monat in den Grenzdienst gehen und dann einen meist viel größeren Bereich zu bestreifen haben, so sind die Angehörigen des Zolls doch viel besser mit den Örtlichkeiten vertraut.
Schon ist der Bereich an der Abschrankung Lübeck-Eichholz erreicht. Wenngleich es auch zu dämmern beginnt, so ist es doch noch ziemlich dunkel. Das, was ich sehe, ist nicht viel. Wie gut, dass ich mich auf meinen Zollhund verlassen kann. Er ist so viel mehr als „nur" Diensthund – er ist mein bester Freund! Sollte dort, wo wir uns jetzt gemeinsam hinbewegen, etwas sein, so wird er es anzeigen; ich muss nur darauf achten, wie er sich verhält. Wenn er etwas im „Blick“ hat, dann lässt er es mich wissen!
Ihn bei mir zu haben, ist im Grunde genommen viel wertvoller als die Anwesenheit eines menschlichen Kollegen. Hunde nehmen gewisse Dinge wahr, die wir Menschen nicht oder erst viel später registrieren würden. Ein Zollbeamter, der allein mit seinem „Beschützer" unterwegs ist, ist in der Regel eine viel wertvollere Streife, als ein Trupp von Zoll- oder Bundesgrenzschutz-Beamten ohne Hund. Während es bei mehreren Leuten wohl kaum ausbleibt, dass man sich miteinander unterhält (was von „gegnerischen" Kräften auf relativ große Entfernung hörbar ist, insbesondere während der Nacht), so sind Zöllner und Zollhund ein Team, das sich auch ohne „Geplapper“ versteht. Und wer etwas mitbekommt, ohne zuvor wahrgenommen worden zu sein, ist der Gewinner.
ARIE ist entspannt. Nichts deutet darauf hin, dass sich unmittelbar vor mir Grenzsoldaten auf dem „vorgelagerten Hoheitsgebiet" der DDR befinden. Vermutlich die nächsten sind Jene, die ich nun durch mein Fernglas betrachte. Sie postieren auf dem Beobachtungsturm „1376“, wie der „BT", welcher gegenüber des sogenannten „Schlagbaum Eichholz" steht, von Seiten des Zolls und BGS bezeichnet wird. Ihre Umrisse sind in meinem Nachtglas nur schemenhaft zu erkennen. Und doch sind es Menschen – wie ich. Mit all ihren Sorgen und mit all ihren Wünschen und Hoffnungen. Es sind Deutsche, Landsmänner – auch wenn sie auf der anderen Seite dieser Grenze dienen. Aber diese Soldaten haben einen Auftrag, der in bestimmten Bereichen „konträr“ zu meinem steht. Würden wir aufeinander schießen bei Eintritt bestimmter Situationen? Ich befürchte ja!
Nordöstlich meines Standpunkts rauscht eine „LK 1-Stern-Rot" in den Himmel. Was mag sie bedeuten? Was ist drüben los – was ist der Grund für die Abgabe dieses Leuchtsignals? Es ist sehr schwer, die Entfernung zu schätzen, von wo aus die Leuchtkugel(n) abgeschossen wurden. Auf jeden Fall ist es erforderlich, jetzt zu beobachten, was sich „drüben" tut, was sich dort nun ereignet. Um auf die ungefähre Höhe des „LK-Verschusses" zu kommen, wechsle ich meinen Standort und betrete das sogenannte „Denkmalschutzgebiet", das sich nördlich der Abschrankung Eichholz befindet. Doch ich sehe und höre nichts und das große FRAGEZEICHEN bleibt bestehen.
oben: Dieses Schild stand nördlich der Abschrankung Eichholz beim Eingang zum "Denkmalschutzgebiet", welches sich auf Privatgelände befand. Die Grundstückseigentümer mussten dulden, dass Grenzzolldienst (GZD) und Bundesgrenzschutz (BGS) dieses betraten. Das Schild machte klar, dass eben nur Vertreter dieser beiden Behörden berechtigt waren, dort entlang zu gehen. Für die vielen anderen Leute (Besucher bzw. Besuchergruppen) war dieses Gebiet "tabu".
Die Dienstanweisungen sind verpflichtend und veranlassen mich, meiner Funksprechzentrale Kenntnis zu geben über dieses Vorkommnis. Ich bleibe vor Ort und beobachte/"lausche" weiter, doch hat durch diesen Funkspruch spätestens jetzt auch die Gegenseite Gewissheit darüber, dass sich eine Streife des Zolls im Raum Lübeck-Eichholz befindet - sofern die in Selmsdorf befindlichen Funkaufklärer der DDR-Grenztruppen nicht „schlafen“.
Obwohl nichts mehr zu vernehmen ist, verbleibe ich mit meinem Hund unweit der Grenzlinie. Das ist meine Aufgabe, hierzu fühle ich mich verpflichtet. Mag es auch den einen und anderen Kollegen geben, der nun die Ruhe finden würde, um es sich in einer Schutzhütte „gemütlich" zu machen; auf mich trifft das nicht zu.
Die Streifentätigkeit der DDR-Grenztruppen wird nicht verstärkt. Und dennoch will der Gedanke nicht weichen, dass da „etwas" ist bzw. gewesen sein könnte – dass sich irgendwo dort, nicht allzu weit von mir entfernt, eine Tragödie vollzieht, von der ich keine Kenntnis erhalte. Das nehme ich mit. Auch im Jahr 2018 werde ich all das, was ich im Laufe meiner Grenzdienstzeit erleb(t)e, nicht vergessen haben. Tief brennt sich Manches ein!
Die „Anlaufzeit" halte ich ein. Punkt 07.00 Uhr bin ich an jener Abschrankung, welche im Jahr 1958 von westdeutscher Seite errichtet wurde, um kenntlich zu machen: bis dort und nicht weiter; hier ist die Grenze. Wer das ignoriert, begibt sich in Gefahr, kann von Kräften der DDR-Grenztruppen festgenommen werden. Und eine Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe durch ein Gericht der DDR könnte die Folge sein.
Gegen 08.00 Uhr trifft eine andere Zollstreife ein und löst uns ab. Wenngleich es auch keine Pflicht ist, diesen Raum rund um die Uhr zu besetzen, so ist es doch von Vorteil, eine Streife des Zolls oder Bundesgrenzschutzes vor Ort zu haben. Viel zu viel hat sich bei diesem Besucher-Schwerpunkt bereits ereignet.
Nach Lageberichterstattung und kurzer Unterhaltung mache ich mich auf in Richtung Bahnlinie Lübeck-Herrnburg. Mein vierbeiniger Freund markiert hin und wieder „seinen" Abschnitt, während ich gelegentlich nach „Osten" blicke und versuche, alles im Griff zu behalten. Dann wird der Hochstand an der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg erreicht. Von hier aus hat man einen guten Überblick auf das Geschehen im hiesigen Grenzraum - den besten im mir zugeteilten Abschnitt. Gegen 09.30 Uhr sehe ich, wie ein Streckenläufer der DDR-Reichsbahn sich in Begleitung von zwei Grenzsoldaten auf dem Gleis auf die Grenzlinie zubewegt. Kurz vor der Grenze bleiben die Soldaten stehen. Der Streckenläufer der Reichsbahn überquert allein die Grenze, um das unweit der Grenze, aber auf Bundesgebiet befindliche Vorsignal zu begutachten/kontrollieren.
„Guten Morgen", sage ich und nehme zum Gruß die rechte Hand an meine Dienstmütze, als wir uns gegenüberstehen. Ein angedeutetes Kopfnicken und ein Zwinkern in seinen Augen sind seine Antwort. Ja, ich weiß, „viel mehr" ist nicht drin. Weder für den Reichsbahner, noch für die beiden DDR-Grenzsoldaten. Aber das allein bedeutet mir schon sehr viel und lässt mich glauben, dass uns im tiefsten Innern mehr verbindet, als trennt. Die Zeit ist gekommen, um wieder in Richtung „Schlagbaum Eichholz" zu marschieren. Der Kollege, der dort postiert, möchte auch mal fort von hier und sich „bewegen". Während dieser sich nun aufmacht, um den Grenzbereich Richtung Schlutup zu bestreifen, übernehmen ARIE und ich hier die Wache. Dass es gut ist, „präsent" zu sein, beweisen die vielen Besucher, die zum Ende der Brandenbaumer Landstraße kommen. Mancher Bus fährt heran und „speit" Menschen aus, die sich einen Eindruck von Jenem verschaffen möchten, was sich an Ort und Stelle tut. Nun heißt es, die angekommenen Gäste zu begrüßen, Grenzinformationsmaterialien zu verteilen, in den Verlauf der Grenze einzuweisen, etwas zur Entstehung der Grenze zu sagen, regionale Grenzgeschichten zu erzählen und als „Fotomotiv“ zu dienen. Während die Kameras klicken, höre ich zum x-ten Male den Begriff "Niemandsland". Ja, auch dazu bin ich hier: um den Grenzbesuchern zu erläutern, dass es ein solches nicht gibt. Doch nicht zuletzt stehen mein Diensthund und ich hier, um dafür zu sorgen, dass nichts passiert und keiner durch Unachtsamkeit oder leichtsinniges Handeln zu Schaden kommt. „Nichtbeachtungen des Grenzverlaufs" bleiben aus und die Leute kehren zufrieden zu den Bussen zurück. Ich schaue auf die Uhr und sehe, dass es auch für ARIE und mich Zeit ist, zu gehen. Gleich ist „Feierabend“.
Doch „Schluss" ist noch lange nicht. Viel zu tief hat sich das im Laufe der Jahre Erlebte in die Seele eingegraben, als dass ich wirklich „abschalten“ könnte. Sie, die Grenze, wird mich begleiten – in vielen Träumen, auch über den 9. November 1989 und 3. Oktober 1990 hinaus. Und meine Freunde ARIE und ARCO, die sind immer dabei.
ARIE
ARCO
1987
oben und unten: Zollhundeschule Bleckede
1987
1987
1987
2018
oben: "Nur" der 7.Platz beim 1988 stattfindenden Zollhundewettkampf des Zollkommissariats Lübeck-Süd. Aber das machte nichts - ARIE war und blieb stets mein "Champion" und der "Herz-König" in meinem Leben!
Zollhund
Zollhund
Zollhund
Zollhund
oben: zur Geschichte des Hauptzollamts Lübeck
oben: Auszüge aus meiner "Akte" bei der Staatssicherheit - Im Jahre 1988 reiste ich erstmalig in die DDR, um meinen langjährigen Brieffreund Jens Behrens in Stralsund zu besuchen. Wir schrieben uns seit 1972, nachdem Jens einen von mir in Bad Schwartau den Lüften übergebenen Luftballon auf dem Fischland Darß gefunden und mir Kenntnis darüber gegeben hatte. Eine wundervolle Freundschaft entstand. Der Wunsch, uns mal „richtig“ kennenzulernen, wuchs mit der Zeit. Ein „Visum“ wurde beschafft und die Genehmigung für die Einreise in die DDR erteilt. Meine Frau Anja begleitete mich im Mai 1988. Wir nahmen den Zug, um von Lübeck nach Stralsund zu kommen. Die Grenzabfertigung bei Herrnburg durch die Grenzorgane der DDR verlief ohne besondere Vorkommnisse und völlig korrekt; meine Frau und ich hatten keinen Grund zur Beschwerde. Später reisten wir mit unserem Auto, einen Opel Kadett "D", über die GÜSt Selmsdorf nach Stralsund. Die Reisen in den "Ostblock" waren für mich als Angehörigen des Zolls bzw. in meiner Funktion "anzeigepflichtig". Und bei jeder Rückkehr machte ich "Meldung" bei meinem Dienstvorgesetzten und erstattete "Bericht".
oben: Stempel der DDR im Reisepass von Manfred Krellenberg
oben: Während meiner Zugehörigkeit zum Zollkommissariat Lübeck-Süd (1983-1990) wurde auch mit dem Gewehr G3 geschossen. Dazu fuhren wir zum Schießstand des Bundesgrenzschutzes nach Stockelsdorf in die Lohstraße (später in die "Wüstenei", Schießstand der Bundeswehr). Jeder Waffenträger des Grenzaufsichtsdienstes hatte damals mit dem G3 mindestens 20 Schuss jährlich abzugeben. Aufgrund dieser geringen Schusszahl kann man erkennen, dass das Gewehr "G3" nur eine untergeordnete Rolle beim Zoll spielte. Mit der Pistole SIG SAUER "P 6" (Zivil-Bezeichnung: "P 225") und der Maschinenpistole "Mpi 5" von Heckler & Koch wurde wesentlich öfter geschossen (1-2 mal im Monat). Mit dem Gewehr "G3" wurde auf der 100 Meter-Bahn trainiert. Hier gab es mehrere Übungen: liegend schießend, kniend schießend, „angestrichen" (an einem Holzpfahl oder irgendetwas anderem angelehnt) oder freihändig schießend. Am Ziel bzw. den Scheiben befand sich unterhalb der Schussbahn ein sogenannter Deckungsstand. Hier waren zwei Beamte, die einen Stahlhelm trugen (Wehrmachtsform), um am Kopfbereich gegen eventuelle Splitter geschützt zu sein. Sie hatten ein Funkgerät bei sich, mit dem sie sich mit dem Stand, wo die Aufsichtskräfte und der Schütze befindlich waren, verständigen konnten. Wenn der Schütze seine Übung beendet hatte, erhielten die Leute im Deckungsstand Mitteilung darüber. Die Scheiben wurden nun nach „unten" gefahren und ausgewertet. Das Ergebnis wurde dann mittels Funkspruch dem „Schreiber" mitgeteilt. Dann wurden die Schusslöcher zugeklebt und die Scheibe wieder nach oben gebracht. Funkspruch, dass Scheiben wieder klar zum Beschuss sind.
oben: den "Zollkarabiner 52" habe ich persönlich nicht mehr kennengelernt, da dieser zu meiner Zeit bereits bei der Bundeszollverwaltung ausgemustert worden war (Anfang der 1970er-Jahre). Die dienstälteren Kollegen berichteten mir, dass der Rückstoß des Gewehres - auf der Konstruktion des Wehrmachtskarabiners 98 basierend - "gewaltig" war.
oben: Manfred Krellenberg mit Maschinenpistole Mpi 5 (Hersteller: Heckler & Koch) an der Grenze zur DDR
oben: Manfred Krellenberg in Zivilkleidung bei der Abschrankung Eichholz - fotografiert von DDR-Grenzsoldaten
HK 4 Heckler & Koch
Pistole Heckler & Koch "HK 4". Ich wurde an dieser Waffe ausgebildet, ebenso an der SIG SAUER P 6 (P 225), Kaliber 9 x 19 Parabellum. Die HK 4-Pistole im Kaliber 7,65 mm Browning war mit der verwendeten Munition verhältnismäßig "schwach", da die Geschosse nur relativ geringe Stoppwirkung hatten. Die Energieabgabe der 9mm-Geschosse aus der Pistole "SIG SAUER P6" war größer, entsprechend die Stoppwirkung. Nachteilig war jedoch, dass auch aus dieser Waffe lediglich Vollmantelgeschosse abgefeuert wurden. Mit Einführung der nächsten (aktuellen) Zoll-Dienstpistole und sogenannter "Action"-Munition wurde die Geschoss-Energieabgabe nochmals erheblich gesteigert und die Möglichkeit geschaffen, einen "Angreifer" im Falle der Notwehr sehr schnell "handlungsunfähig" zu machen.
oben: Vergleichsschießen des Zollkommissariats Lübeck-Süd mit der Pistole "P6". Als ich am 10.11.1989 die Urkunde mitsamt Pokal für den "2. Platz" erhielt, war die Verleihung "nebensächlich" - anlässlich der Grenzöffnung am Vorabend waren wir "Grenzer" mit den Gedanken ganz woanders...
1989
oben: 40 Jahre Zollkommissariat (Lübeck-) Süd - Ausstellung in der Guerickestraße 2-4 in 2400 Lübeck im Jahr 1989
1951
1968
oben: Krellenberg mit Zollhund ARIE bei der Schutzhütte unweit der Abschrankung Lübeck-Eichholz
oben: für die Anschaffung / Unterhaltung eines Dienstfahrrads gab es zu meiner Zeit 200 DM. Nach Ablauf von zwei Jahren wurde diese Summe dann erneut zur Auszahlung angewiesen, sofern man noch Inhaber einer "Fahrradstelle" war.
oben und unten: Zollschule Rupprechtstegen
Die erste "Aufsichtsarbeit" im Fachgebiet "Recht des Grenzzolldienstes und Grenzdienstkunde" galt es am 22.09.1981 für mich und die anderen Zollanwärter bei der Zollschule Rupprechtstegen zu meistern.
oben: Einführungslehrgang bei der Zollschule Rupprechtstegen
oben: Praktische Ausbildung der Gruppe 4 des Einstellungslehrgangs 8/1981 im Bereich des Hauptzollamts Flensburg
oben: Teilbereiche (Pförtnerhaus und der Neubau) der Zollschule Bad Gandersheim im Jahr 1983
oben: Unterrichtsplan für den Abschluss-Lehrgang 3/1983 (bzw. des Einstellungsjahrgangs 8/1981) an der Zollschule Bad Gandersheim
oben: als ich oben gezeigtes Schreiben erhielt, war ich beim Abschlusslehrgang in der Zollschule Bad Gandersheim. Was für eine große Freude, zur Grenzaufsichtsstelle I Eichholz des Zollkommissariats Lübeck-Süd versetzt zu werden!Am 26.07.1983 konnte ich dort meinen Dienst antreten.
oben: Dienstplan der Grenzaufsichtsstelle Eichholz, dessen Angehöriger ich war. Im Oktober 1989 hatte ich folgenden Dienst zu verrichten:
16. Oktober 1989: Teilnahme am Dienstsport 17. Oktober 1989: „V“ (Vormittags)-Streifendienst (bzw. "Grenzaufsichtsdienst"). Zu beginnen in der Zeit zwischen 06.00 und 08.00 Uhr. 17. Oktober 1989: „VM“(Vor-Mitternacht)-Streifendienst. Zu beginnen zwischen 18.00 und 20.00 Uhr 19. Oktober 1989: „N“ (Nachmittags)-Streifendienst. Zu beginnen zwischen 12.00 und 14.00 Uhr 20. Oktober 1989: „B2“-Dienst bei der Grenzkontrollstelle Moisling (u.a. Dienst im Interzonenzug "D 438" von Lübeck nach Hamburg) 21. Oktober 1989: „A“-Dienst bei der Grenzkontrollstelle Moisling (14.30 Uhr bis ca. 21.30 Uhr) 22. Oktober 1989: „N“ (Nachmittags)-Streifendienst 23. Oktober 1989: „VM“ (Vor-Mitternacht)-Streifendienst Ü 13 „Ü 13“ bedeutete, dass man Dienstanfang und Ende abzustellen hatte auf jene Zeit, wo der Zoll nach vorheriger Absprache mit dem BGS im entsprechenden Überwachungsraum präsent zu sein hatte. 25.Oktober 1989: „NM“ (Nach-Mitternacht)-Streifendienst. Dienstbeginn zwischen 23.00 Uhr und 01.00 Uhr 27. Oktober 1989: Schießen (ob nun Training mit Pistole P6, MPi 5 oder Gewehr G3 entzieht sich meiner Erinnerung) 28. Oktober 1989: dienstfrei 29. Oktober 1989: dienstfrei 30. Oktober 1989: dienstfrei 31. Oktober 1989: Teilnahme an Zollhunde-Übung
oben: Zoll-Fahrzeug VW Golf II, Kennzeichen HL-35, an der innerdeutschen Grenze bei Lübeck. Ein DDR-Grenzaufklärer fertigte damals dieses Bild. Der "Auswertungsvermerk" ist nicht den Tatsachen entsprechend. Der Dienstwagen gehörte nicht zur "mot.Gast.-Lübeck" (gemeint war die motorisierte GASt Lübeck-Süd), sondern wurde vom Leiter des Zollkommissariats Süd bzw. dem Vertreter des Leiters des ZKom Süd gefahren. Scheinbar war das dem Soldaten, der den "Auswertungsvermerk" zum Foto schrieb, nicht bekannt.
Folgende Dienstwagen des ZKom Süd bzw. für dienstliche Zwecke genutzte damalige Fahrzeuge sind in meiner Erinnerung:
VW-Transporter T 3, HL-54, GASt Lübeck-Süd, Funkname des eingebauten 2-Meter-Band-Gerätes: "Baldur 2/6"
HL-54
oben: VW-Transporter HL-54 der Bundeszollverwaltung (HZA Lübeck-Ost, ZKom Süd, GASt Lübeck-Süd) bei der Grenzkontrollstelle Eichholz am 27.01.1990 (Foto: Claus Tiedemann)
VW Golf II, HL-35, Zollkommissar und Vertreter, Funkname "Baldur 2/1"
Audi HL-AK 109, Beamter zur besonderen Verwendung (BzbV), Funkname "Baldur 2/2"
Opel Kadett, HL-115, Zollhundelehrwart und Vertreter, Funkname "Baldur 2/3"
VW-Transporter T 3, HL-43, GASt A Lübeck, Funkname "Baldur 2/5"
VW-Transporter T 2, HL-29, GASt S Lübeck-Süd, Funkname "Baldur 2/10"
VW-Transporter T 3, HL-179, GASt Lübeck-Süd, Funkname "Baldur 2/7"
Folgende 7 Bilder stammen aus der Fotosammlung des Zollbeamten Lothar Kröger (recht herzlichen Dank dafür!):
oben: VW-Transporter des Grenzzolldienstes an der innerdeutschen Grenze bei "Hoheleuchte" (unweit Ratzeburger See)
oben: VW-Transporter des Zolls an der innerdeutschen Grenze bei Wietingsbek
HL-43 (1979)
oben: Zollbeamter G.H. mit VW-Transporter T2 "RZ-259" der Grenzaufsichtsstelle (GASt) mot. II Ratzeburg an der innerdeutschen Grenze unweit Mechower See. Aufnahme aus dem Jahr 1979
oben: Zollbeamter G.H. bei einem Schaukasten des Zollkommissariats Ratzeburg unweit des Mechower Sees.
Wietingsbek
oben: Zollbeamter G.H. an der Grenze bei Wietingsbek.
oben: Zollbeamter Lothar Kröger (links) mit einem Kollegen an der innerdeutschen Grenze bei Dutzow
bei Dutzow
Zollboot HECHT
BGS
BGS
Bundespolizei
BGS
Bundesgrenzschutz
BGS
BGS
BGS
BGS
BGS
BGS
BGS
Alouette
BGS
BGS
BGS
Bell UH 1D
BGS
BGS
BGS
BGS
BGS
BGS
Bundesgrenzschutz
1959
1959
1959
oben und unten: Bericht "Sauhatz in Lübeck" und dazugehörende Fotos aus den Lübecker Nachrichten Nr. 98 vom 28.04.1959
1959
BGS
Oben: Bei einem Tag der „offenen Tür“ des Bundesgrenzschutzes in Lübeck. Ich war noch jung, als das gezeigte Bild aufgenommen wurde. Damals habe ich gar nicht mitbekommen, dass ein Pressefotograf zugegen war und auch ein Foto von der Gruppe, in der ich mich befand, schoss (das dann in den Lübecker Nachrichten veröffentlicht wurde). Ich bin der Junge am „Feldtelefon“. Soweit ich mich erinnere, waren die Stunden in der Abteilung des BGS in Lübeck bzw. in der Schwartauer Landstraße sehr erlebnisreich. Klar, dass auch ich begeistert war und am liebsten sofort zum Bundesgrenzschutz gegangen wäre… Wir Kinder durften mitfahren in den BGS-Landrover-Fahrzeugen, in Mercedes-Wasserwerfern und auch in gepanzerten Sonderwagen. Ja, das hat Spass gemacht! Noch eine Nummer „größer“ waren die Tage der offenen Tür bei der Bundeswehr, die damals noch in Lübeck stationiert war. Als 10-jähriger „Bengel“ durfte ich mal mit einem Maschinengewehr schießen, wenn auch „nur“ mit Übungsmunition bzw. Platzpatronen. In heutiger Zeit unvorstellbar! Nicht auszudenken, was heute in der Presse stehen würde, wenn man hier in der Bundesrepublik Kinder hinter ein Maschinengewehr und damit „ballern" ließe... Nach dem „Feuergefecht“ gab es schmackhafte Erbsensuppe. Und dann sorgte Vater dafür, dass wir Kinder (mein Bruder war auch dabei) weiterhin unseren Spass hatten. Mit gepanzerten Fahrzeugen vom Typ MARDER und MTW 113 ging es durch den Bad Schwartauer Riesebusch oder durch das Gelände auf der Teerhofinsel. Momente, an die ich mich sehr gern erinnere!
oben: Ein bundesdeutscher Zollbeamter gibt einem DDR-Grenzer Feuer zum Anzünden einer Zigarette (1960er-Jahre).
oben: Beamte der Bundeszollverwaltung und Angehörige der DDR-Grenztruppen an der Grenze bei Lübeck (1960er-Jahre).
1958
oben: Aufenthaltsgenehmigung aus dem Jahr 1958 für Herrn Hans Waack, dem Urgroßvater von Manfred Krellenberg
oben: meine Urgroßeltern Berta und Hans Waack
oben: Das von mir verfasste Buch "An der innerdeutschen Grenze zwischen Lübeck und Herrnburg" hat über 300 Seiten und enthält viele Fotos, Karten und sonstige zeitgeschichtliche Dokumente.
März 1949
oben: ZOLL im März 1949 an der "Ostzonengrenze"
1971
oben: Stempel des Zollboots HAMBURG. Auf dem Briefumschlag befinden sich ferner die 100 Pfennig Briefmarke "Hamburg", welche 1993 abgestempelt wurde mit einem Dienstsiegel des Hauptzollamts Hamburg-Ericus. Etwas für "Philatelisten", Freunden des Zolls und/oder Sammler von Schiffsstempeln!
M. Krellenberg
Ich war 15 Jahre jung, als ich mich zum ersten Mal mit dem Aufgabenfeld eines Zollbeamten befasste. Die Tätigkeiten des Grenzzolldienstes, insbesondere des Grenzaufsichtsdienstes an der Grenze zur DDR, interessierten mich sehr. Die extreme Unnatürlichkeit dieser Grenze war es, die mich so außergewöhnlich faszinierte; sie übte einen besonderen Reiz auf mich aus und ließ mich 1980 den Entschluss fassen, mich beim Zoll zu bewerben.
Vielleicht fragt sich Mancher, warum nicht Bundesgrenzschutz (BGS, heute Bundespolizei)? Nun, ich hatte mich zuvor darüber informiert, dass der einzelne BGS-Beamte nicht täglich Grenzstreife gehen bzw. fahren konnte, da die Polizei des Bundes schon damals auch andere Aufgaben zu bewältigen hatte, u.a. Schutzmaßnahmen bei Demonstrationen. Ich zog den regelmäßigen Grenzdienst (beim Zoll) den (beim BGS) möglichen Konfrontationen mit „Krawallmachern" vor und hoffte zudem, in naher Zukunft einen Diensthund an meiner Seite zu haben. Möglichkeiten, „meinen" Traum zu verwirklichen, bot zu jener Zeit nur der Zoll und so war es schließlich ein großes Geschenk für mich, als ich die Einstellungszusage von der Oberfinanzdirektion Kiel erhielt.
Im August 1981 begann die zweijährige Ausbildung mit einem dreimonatigen Einführungslehrgang an der Zollschule Rupprechtstegen. Hier galt es zunächst, sich mit den originären Aufgaben der Bundeszollverwaltung vertraut zu machen. Die zollamtliche Überwachung des Warenverkehrs über die Grenze mit allen daraus resultierenden Aufgaben und Tätigkeiten – das war wichtigstes Thema des Unterrichts. Welche immens große Bedeutung der Zoll als Einnahmeverwaltung des Bundes hat, das wurde uns Zollschülern hier erst so richtig bewusst. Mancher Unterrichtsstoff gestaltete sich zuweilen aber ziemlich „trocken" und wollte nur mit „Nachdruck" im Gedächtnis haften bleiben. Gleichwohl wissend, dass ich einen Großteil des Erlernten als Aufsichtsdienstbeamter an der Grenze zur DDR nicht mehr benötigen würde, so musste ich mir im Laufe der nächsten 24 Monate doch alle wichtigen Kenntnisse aneignen, um die Ausbildung erfolgreich abzuschließen. Und ich schaffte es und war unendlich froh und dankbar, als ich schließlich die Ernennungsurkunde zum Zollassistenten zur Anstellung erhielt.
Zudem hatte ich kurz zuvor erfahren, wo ich zukünftig meinen Dienst verrichten sollte: ich war wunschgemäß zur Grenzaufsichtsstelle (GASt) I Eichholz versetzt worden, wo ich bereits am 26. Juli 1983 meinen Dienst aufnehmen sollte. Ich hatte das Gefühl, auf der Sonnenseite des Lebens zu stehen, da ich fortan jenes machen konnte, wozu ich ganz besonders große Lust hatte (im Gegensatz zu einigen anderen Kollegen, die – obwohl im Norden Deutschlands unweit der dänischen Grenze zu Hause – sich nunmehr genötigt sahen, Abschied von der Heimat zu nehmen und statt originäre Zollaufgaben nun vom Bundesgrenzschutz übertragene grenzpolizeiliche Aufgaben an der Grenze zur DDR wahrzunehmen. Für diese Kameraden brach nun die Welt zusammen).
Für mich fing mein Berufsleben jetzt erst richtig an. Der „aB" – so bezeichneten wir den "aufsichtführenden Beamten" der Grenzaufsichtsstelle – nahm sich meiner an und wies mich in den kommenden Tagen in den zu überwachenden Grenzabschnitt ein. „Kalle" Schöning´s überaus freundschaftliche und kameradschaftliche Art machte es mir leicht, sich bei dieser Dienststelle einzuleben. Nicht unerheblichen Anteil hatten daran auch die anderen Kollegen der beiden GASten Eichholz; sie nahmen mich herzlich in ihren Kreis auf und sorgten dafür, dass ich mich bei ihnen wohl fühlte.
Die nächsten Wochen ging es ausschließlich auf Doppelstreife (meist mit Maschinenpistole ausgerüstet). Erst als sichergestellt war, dass ich mit dem Grenzabschnitt voll vertraut war, erhielt ich die Erlaubnis, den Grenzaufsichtsdienst allein und „nach Ermessen" zu verrichten. Wobei das „Ermessen" natürlich einen begrenzten Umfang hatte! War im Dienstbuch ein „Fr" (Frühdienst) vorgegeben, so konnte ich meinen Dienstbeginn zwischen 04.00 und 06.00 Uhr bestimmen. Bei „V" (Vormittagsdienst) war es mir freigestellt, bereits um 06.00 Uhr oder erst um 08.00 Uhr in Richtung Grenze auszurücken. Bei „N" (Nachmittagsdienst) konnte ich zwischen 12.00 und 14.00 Uhr wählen, wobei der Beginn des Dienstes während dieser 2-stündigen-Ermessensspielräume jeweils alle zehn Minuten (später dann abgeändert in 15-Minuten-Takt) erfolgen konnte. Auch war es mir weitgehend möglich, zu entscheiden, wie lange meine Dienstschicht dauern sollte. Minimum waren 5 Stunden, Maximum in der Regel 8 Stunden (bei besonderen Vorkommnissen konnte davon natürlich abgewichen werden). Man musste aber darauf achten, dass man das jeweilige Monatsdienstmaß, also die zu leistenden Tag-und Nachtdienststunden, auch annähernd erfüllte.
Um die 50 Nachtstunden (Dienstverrichtung zwischen 20.00 und 06.00 Uhr) musste jeder von uns monatlich an der Grenze verbringen. Diese Nachtschichten (es gab die "VM"-Schicht, Dienstbeginn zwischen 18.00 und 20.00 Uhr sowie die "NM"-Schicht, Dienstbeginn zwischen 23.00 Uhr und 01.00 Uhr) forderten dem Körper Manches ab. Erst 19-jährig, machte sich das bei mir aber noch nicht bemerkbar.
Leider konnte ich das meiste Wissen, das ich mir während der gerade erst abgeschlossenen Berufsausbildung angeeignet hatte, gleich „über Bord" werfen. Hier waren nun ganz andere Dinge gefragt, Sachen, über die wir in den Zollschulen nicht unterrichtet worden waren. Jetzt waren Kenntnisse über die DDR-Grenztruppen und deren Bewaffnung wichtig, ebenso musste ich mich nun mit den verschiedenen Landfahrzeug- und Hubschraubertypen des „Ostens" auskennen.
Die entsprechenden "Erkennungsblätter" waren in einer kleinen Mappe, welcher von jeder Streife des Grenzzolldienstes und Bundesgrenzschutzes mitgeführt wurde.
Die einzelnen Wegepunkte im bundesdeutschen Grenzabschnitt galt es nun ebenso „im Kopf" zu haben wie die Bezeichnungen der Grenzsperranlagen der DDR. So hatte beispielsweise jeder Beobachtungsturm eine eigene Nummernbezeichnung, die es bei der Abwicklung des Funk- und Schriftverkehrs zu nennen galt. Glücklicherweise hatte ich mit dem Erlernen dieser „Materie" keinerlei Schwierigkeiten, da ich mich für alles, was mit dieser Grenze zusammen hing, sehr interessierte. Mag es auch so manchen Kollegen gegeben haben, der den Dienst hier absolut langweilig fand, so gelang es mir in all den Jahren, die ich hier Dienst verrichten durfte, immer wieder Neues zu entdecken.
Und in der Tat lag doch eine ganze Menge Spannung in diesem Raum; war hier doch nicht nur die Trennlinie zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR, sondern auch zwischen NATO und Warschauer Pakt. Hier prallten zwei große Blöcke aufeinander - Systeme, die einander nicht wohlgesonnen waren. Das Verhalten der DDR-Grenzsoldaten, die (befehlsgemäß) nicht einmal den ihnen dargebotenen Tagesgruß bei einer Begegnung an der Grenze erwiderten, verstärkte noch den Eindruck, dass man sich hier weniger als „Landsmänner" betrachtete, sondern vielmehr als „Gegner". Ein Aufeinandertreffen hatte einen ganz besonderen Reiz, manchmal war es sogar etwas unheimlich, wenn man sich plötzlich auf wenige Meter Entfernung gegenüber stand.
Wurde die Funksprechzentrale „Baldur" des Hauptzollamtes Lübeck-Ost bereits über die „normale" Streifentätigkeit der DDR-Grenztruppe laufend von uns Grenzaufsichtsdienstbeamten unterrichtet (z.B. „um 08.13 Uhr eine Zwei-Mann-Greso-Kradstreife auf dem bKW von Nord nach Süd den BT 1376 passierend"), so musste die Leitstelle natürlich auch sofort in Kenntnis gesetzt werden, wenn DDR-Grenzaufklärer in Erscheinung traten. Handelte es sich um bereits bekannte Soldaten der Grenztruppe, so waren diese in unserer „GAK"-Kartei mit einer Nummer versehen worden und wir meldeten dann z.B., dass der Hauptmann „Nr. 1" und Fähnrich „Nr. 7" unweit der DDR-Grenzsäule gegenüber Schlagbaum Eichholz postieren würden, bewaffnet mit Pistole Makarov und MPi Kalaschnikow Modell..., ausgerüstet mit Fernglas, Funkgerät UFT 771, Fotokamera Praktika mit Teleobjektiv usw.
Da ich auch einen Fotoapparat bei mir hatte, versuchte ich, die Soldaten der Grenztruppe auf das Negativ zu bannen. Sie machten es mir meist nicht leicht, sondern drehten sich weg oder setzten ihre Ferngläser vor die Augen, damit ihre Gesichter auf den Fotos nicht zu erkennen sein würden. Doch ich hatte Zeit und Geduld und wurde dafür in vielen Fällen auch belohnt. Wir haben, im Nachhinein betrachtet, „Katz und Maus" gespielt. Heute kann ich mich darüber herzlich amüsieren, aber damals war mir diesbezüglich nicht zum Lachen zumute! Ja, wir haben uns immer wieder auf das Neue gegenseitig abgelichtet und dabei derart ernst geguckt, als wären wir die ärgsten Feinde.
Konnten wir westdeutschen Grenzer die DDR-Grenzsoldaten allein schon aufgrund ihres Standortes, ihrer Tätigkeit und ihrer Uniform als „zum Osten gehörig" identifizieren, so war es äußerst schwer, Personen aufzuspüren, die auf westdeutschem Territorium für die „Gegenseite" arbeiteten und hier bestimmte Dinge „aufzuklären" hatten. Regelmäßig wurden wir angewiesen, auch in dieser Hinsicht besonders wachsam zu sein. Sobald es da geringste Zweifel gab, ob die bei „XY" angetroffene Person wirklich nur ein „harmloser Spaziergänger" war, wurden die Personalien überprüft. Das wussten natürlich auch die entsprechenden Dienststellen in der DDR ... und hatten jene Leute zuvor dermaßen „vorbereitet", dass sie in der Regel einer normalen Kontrolle standhalten konnten.
Dass auch in meinem zu überwachenden Grenzabschnitt in dieser Hinsicht noch viel mehr los war, als wir damals ahnten, das erfuhr ich nach der „Wende" von einem ehemaligen Oberstleutnant, der in Herrnburg bei den DDR-Grenztruppen diente. Er bestätigte, dass gelegentlich Schleusungen vorgenommen worden sind und zeigte mir Fotos von einem Tunnel im Bereich der Palinger Heide, der es ermöglichte, Personen unterirdisch die Grenzsperranlagen passieren zu lassen und diese dann bis kurz vor die Grenzlinie zu bringen.
Es war an einem schönen Herbsttag, als meine aus Lübeck-Eichholz stammende Freundin (die am 10.2.1987 meine Ehefrau wurde) und ich wieder mal den Entschluss fassten, mit unseren Hunden an der Grenze spazieren zu gehen. Frisch verliebt und in unserer Freizeit befindlich, waren wir darauf bedacht, möglichst abseits der Wege zu gehen, um unter uns und damit ungestört zu sein.
Wir hatten eigentlich nur noch Augen für uns, als es plötzlich im dichten Buschwerk zu knacken anfing. Was kam da auf uns zu? Ein Wildschwein? Ein schlechtes Gefühl beschlich uns, denn ein Mensch konnte sich doch eigentlich unmöglich hierher „verirren"! Und dann sahen wir uns – zeitgleich. Meine ungläubigen und schreckhaften Blicke spiegelten sich in den Augen jenes Mannes wider, der da nun plötzlich vor uns stand. Es war ein Herr zwischen 50 und 60 Jahren, durchaus seriös aussehend, aber man konnte die „Panik" spüren, die er scheinbar hatte. Mit eiligen Schritten schoss er förmlich an uns vorbei, die braune Aktentasche, die er trug, mit festem Griff haltend.
Was mochte ihr Inhalt sein? Ich ahnte, was „Sache" war. „Der kommt direkt von drüben", dachte ich angesichts der nahen Grenze. Was folgte, war ein Griff in meine Jackentasche. Verdammt, den Dienstausweis, den ich ansonsten immer bei mir hatte, konnte ich nicht spüren; er lag zu Hause in der Wohnung. Wie gerne hätte ich jetzt gesagt: „Halt, Zoll! Bitte weisen Sie sich aus!" Aber ich konnte mich nicht als Amtsträger zu erkennen geben. Eine einfache Zivilperson war ich, ohne „besondere Rechte". Und mein Zollhund ARCO, den ich bei mir hatte, trug kein Zollhund-Kenngeschirr. Er war ebenso „privat" unterwegs wie ich. Ihn zum Einsatz bringen durfte ich nicht, denn der gemeinsame Grundlehrgang an der Zollhundeschule Bleckede war noch nicht absolviert.
Und gerade jetzt hätte ich so gerne gerufen: „Halt, Zoll! Halt, oder ich setze den Hund ein!"
Nein, sich als Zöllner zu „outen", wäre sicher nicht ratsam gewesen, schließlich hatte ich weder Dienstpistole noch Funkgerät dabei. Was blieb übrig, als diesen Mann an uns vorbei zu lassen? Schlecht habe ich mich gefühlt, denn eine gründliche Personenkontrolle (insbesondere durch „gewisse" Dienststellen) wäre unzweifelhaft von Nöten gewesen! Wir konnten nichts anderes tun, als dem Mann möglichst unauffällig zu folgen. Und dann war er plötzlich weg, wie vom Erdboden verschluckt. Mein Verdacht, dass ich / wir jemanden angetroffen hatte(n), der kurz zuvor von Ost nach West über die Grenze geschleust worden war, erhärtete sich nach der „Wende" – denn der Ort der „Begebenheit" war unweit jener Stelle, wo der „Stasi-Tunnel" sich befand.
Nachtdienst an der Grenze – und mal wieder die „NM-Tour" (die Nach-Mitternacht-Schicht). Gut beraten war man, in den Stunden zuvor zu Hause etwas Ruhe und Schlaf gefunden zu haben, um nicht Gefahr zu laufen, frühzeitig die „Segel zu streichen", insbesondere bei Postierungen in den Schutzhütten. Und wer es sich dort allzu „gut" gehen ließ und den Heizbrenner ständig in Betrieb hatte, dem konnte die Wärme ganz schön zusetzen. Man musste daher immer für genügend Sauerstoffzufuhr sorgen. Da ich ohnehin nicht zur Kategorie der „Stubenhocker" gehörte und mitbekommen wollte, was sich „draußen" tat, verließ ich bereits nach kurzer Zeit den geschützten Ort, nahm meinen Hund und ging mit ihm „Patrouille". Es galt, „gute" Arbeit abzuliefern. Und die konnte man nach meinem Verständnis hauptsächlich direkt an der Grenze leisten. Hier sah man(n) was von „drüben" – und hier hörte man(n) jene Geräusche, welche den in den Hütten „postierenden" Kollegen eventuell entgingen. Nicht nur die Stimmen der Tierwelt waren interessant, sondern auch die gesprochenen Worte des „Gegners", die man hin und wieder gut vernehmen konnte. Bei bestimmten Bedingungen sogar auf relativ große Entfernung. Die Grenzaufklärer, die manchmal auch nachts „feindwärts" Dienst taten und sich nur wenige Meter entfernt von mir befanden, waren darauf bedacht, ihre Anwesenheit nicht zu verraten – aber die vielen anderen Soldaten (oftmals Wehrdienstleistende) unterhielten sich und schwatzten sich gelegentlich den „Frust vom Leib". Manches Wort konnte ich gut hören. Das Vernommene wies mich immer wieder darauf hin, dass drüben auch "nur" deutsch gesprochen wurde – unsere Muttersprache! Dennoch betrachteten wir uns als Gegner und hätten bei Eintritt bestimmter Situationen vielleicht sogar aufeinander geschossen.
Dass es „knallte", kam nicht selten vor. Dann hieß es, besonders aufmerksam zu sein und zu beobachten, was sich „drüben" tat. Oftmals waren es Handleuchtzeichen, die in die Höhe zischten. Was hatten sie zu bedeuten? Auch aus Langwaffen wurde hin und wieder gefeuert. Meistens wird Wild das Ziel gewesen sein. Aber da ich es nicht genau wusste, musste ich damit rechnen, dass nicht auf ein Tier, sondern auf einen Menschen geschossen worden war. Umso schärfer „spitzte" ich dann meine Ohren. Aufgrund des vielen Buschwerks war nur bedingt sichtbar, was sich auf der „anderen Seite" tat. Dennoch war es zumeist hörbar, wenn sich die Streifentätigkeit bei den Grenztruppen der DDR erhöhte. Was und ob tatsächlich etwas „los" war, entzog sich leider oftmals der Kenntnis von Zoll und BGS.
Herbst 1983: Ich schaue – wie schon so viele Male zuvor - nach „drüben", blicke in das Grenzgebiet der DDR. „Das" ist Teil meiner Aufgaben, welche ich hier – an der Trennlinie zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Republik – als Angehöriger des Grenzzolldienstes zu erfüllen habe. „Ruhig" ist es; besondere Vorkommnisse kann ich nicht erkennen. Der Beobachtungsturm der DDR-Grenztruppen, welcher sich mir gegenüber befindet, ist – fast wie immer – mit zwei Grenzsoldaten besetzt. Unterhalb des "BT" steht ein Fahrzeug vom Typ Robur, Modell „LO". Alltag an der Grenze. Doch wie „grau" ist dieser Tag wirklich? Ich erkenne nicht die „Brisanz" dieser Stunden an jenem Tag im November 1983. Und im Nachhinein betrachtet bin ich dankbar und froh, dass ich von all „dem", was sich in den „oberen Etagen" von NATO und WARSCHAUER PAKT gerade „tut", keine Kenntnis habe. Siehe hierzu
„Able Archer" („geschickter Bogenschütze“) war in diesen Stunden etwas gewesen, zudem ich auf seinerzeitigem Befragen aufgrund Unwissenheit wohl nur mit den Schultern gezuckt hätte. Im Herbst 1983 versah ich meinen Dienst „so", wie er sich im Regelfall bis zu den Ereignissen des 9.11.1989 gestaltete. Die Motoren der Flugzeuge, welche auch auf dem Gebiet der DDR mit laufenden Motoren bereit standen, um nach Erteilung entsprechenden Befehls in Richtung Bundesrepublik Deutschland zu starten, hörte ich nicht. Und ich sah auch nicht jene atomaren Bomben / Sprengsätze, welche sie mitführten. Unsere Erde, unsere Welt, stand am Rande der Vernichtung.
sowjetisches Flugzeug
Bereits in der Nacht zum 26. September 1983 war es zu einer Fehlfunktion des sowjetischen Raketenfrühwarnsystems gekommen. Fälschlich wurde ein Angriff mit fünf Interkontinentalraketen vom Gebiet der USA aus gemeldet. Das besonnene Handeln eines sowjetischen Oberstleutnants verhinderte einen nuklearen Gegenschlag. Während die Menschheit bzw. alles auf Erden befindliche Leben haarscharf an einer "Katastrophe" von größtem Ausmaß vorbeischlidderte, befand ich mich zeitweise an der innerdeutschen Grenze und meldete meiner Funkleitzentrale fleißig die Fahrzeuge der DDR-Grenztruppen, welche "drüben" zu sehen waren. "Keine besonderen Vorkommnisse" hieß es wahrscheinlich am Ende jener Tage im Herbst 1983 bei Zoll und Bundesgrenzschutz...
Es war noch dunkel, als mein Kollege Wilhelm Steffen und ich am Morgen des 16.Januar 1984 an der Abschrankung Eichholz eintrafen. Zu einer Doppelstreife eingeteilt, hatten wir uns vorgenommen, hier kurz nach dem „Rechten" zu schauen, um dann das Denkmalschutzgebiet zu durchqueren und weiter in Richtung Schwedenschanzen zu marschieren.
Schnee bedeckte den Boden. Es knirschte bei jedem unserer Schritte unter unseren Füßen. Solange man in Bewegung blieb, spürte man die Kälte nicht so sehr. Gut, dass mein Kollege und ich geplant hatten, nicht schon jetzt eine längere Postierung einzulegen. Vor Ort schien alles in Ordnung. Wir waren kurz davor, den Bereich an der Abschrankung wieder zu verlassen, als ich meine Taschenlampe zückte und routinemäßig den Bereich hinter dem Schlagbaum ausleuchtete. „Schau mal – da sind Fußspuren im Schnee", sagte ich zu meinem Kollegen, nachdem die Lichtstrahlen auf die Abdrücke gefallen waren. So wie es aussah, hatte ein Mensch die Grenzlinie passiert und sich in Richtung Metallgitterzaun begeben. Wir versuchten festzustellen, ob es auch Spuren gab, die wieder in Richtung Bundesrepublik führten, konnten hier bzw. in der näheren Umgebung aber nichts entdecken.
Es war genau 07.26 Uhr, als ich zum Funkgerät griff und die Sprechtaste drückte. „Baldur von Baldur 2/56 kommen", kam es über meine Lippen. Mit erregter Stimme berichtete ich der Funkleitzentrale von unserer Sichtung. Klar war, dass wir nun von unserer Tagesplanung abweichen mussten, denn wir hatten jetzt weisungsgemäß vor Ort zu bleiben und zu beobachten, ob sich „drüben" etwas tat. Nachdem es hell geworden war, kam ein Hubschrauber des Bundesgrenzschutzes angeflogen. Er blieb eine Zeit lang über uns in der Luft stehen. Von „oben" war zu erkennen, dass jemand das Minenfeld, welches zwischen den beiden Metallgitterzäunen lag, durchquert hatte. Da das Erdreich offensichtlich unversehrt war, hatte er dabei keine Mine zur Detonation gebracht.
Bevor wir uns nähere Gedanken darüber machen konnten, wie das möglich gewesen sei, kam nun diesseits des MGZ ein Geländewagen der DDR-Grenztruppen angefahren. Einer der Insassen stieg auf den „P3" und fotografierte aus dieser Position heraus die im Minenfeld zu sehenden Spuren. Zusammen mit anderen Grenzsoldaten kam er dann zur Grenzlinie, um auch hier „Beweise" zu sichern.
Was sich nun genau ereignet hatte, erfuhren wir schon kurze Zeit später - kehrte der „Grenzgänger" doch noch am selben Tag in die Bundesrepublik zurück.
Dass etwas „passieren" möge, habe ich so manches Mal gehofft, wenn ich in den Dienst ging. Nun, während der Tagesdienste gab es eigentlich oft was zu sehen (und entsprechend zu „melden"): Arbeiten an den Grenzsperranlagen, Grenzsoldaten auf dem vorgelagerten Hoheitsgebiet der DDR, Hubschrauber, Nichtbeachtungen Grenzverlauf durch Bundesbürger etc. In den Nachtstunden sah das natürlich „anders" aus. Man(n) konnte kaum etwas von "drüben" erkennen, soweit nicht Lichtsperren einen Teil des Schutzstreifens erhellten. Und wenn die Augen „nur" noch Dunkelheit wahrnehmen, kommt ganz schnell Müdigkeit auf. Nun, bis 2 -3 Uhr war ich in der Regel „fit" – aber dann bekam auch ich schwere Augenlider. Um nicht Gefahr zu laufen, einzunicken, bin ich gar nicht erst längere Zeit in Schutzhütten geblieben. Habe meinen Hund genommen und bin – auch wenn es manchmal schwer fiel – trotz herrschender schlechter Wetterbedingungen Streife gegangen.
Ich erinnere mich an eine „NM"-Tour (Nach-Mitternacht-Schicht, 23.00 – 06.00 Uhr), wo ich kurz nach 05.00 Uhr morgens glaubte, es gleich „geschafft" zu haben. Ich war körperlich schon "angeschlagen" und sehr müde. Dachte nur noch ans Bett… und dann, als ich gerade den Schlagbaum Eichholz verlassen wollte, nordöstlich meines Standorts eine LK (Leuchtkugel) "Rot" in die Höhe schoss. Der schon im Auge gehabte Feierabend war nun dahin – statt den Heimweg zum Zollkommissariat einzuschlagen, galt es der Stelle, wo die Leuchtkugel hochging, näher zu kommen und zu beobachten/lauschen, ob sich drüben etwas tut. Andere Streifen, auch in Lübeck-Schlutup, waren nicht unterwegs. Nun waren mein Diensthund und ich gefragt…. Und so liefen wir noch einmal los in Richtung Wald, wo schon bald (wieder) das Grunzen von Wildschweinen zu vernehmen war.
Wieder mal die NM-Tour (die nach Mitternacht-Schicht). Ich befand mich mit meinem Hund bei der Abschrankung Lübeck-Eichholz und wollte mich gerade in die dort befindliche GZD-Hütte begeben, um hier einen „kleinen Snack" und heißen Tee einzunehmen, als mich über Funk die folgende Aufforderung erreichte: „Baldur 2/56, wenn möglich, sofort über Draht kommen!". Nun, das war möglich; die nächste öffentliche Telefonzelle war nur etwa 150 m entfernt. Und ich erfuhr, dass ein Mädel die Absicht hegte, Suizid zu begehen. Ihre Schwester hatte einen „Abschiedsbrief" gefunden und seinem Inhalt nach musste davon ausgegangen werden, dass das im Behaimring wohnende Mädchen sich im nahen Wald (Grenzbereich Lübeck/Herrnburg) erhängen wollte. Und nun sollten sich alle in der Nähe befindlichen Streifen an der Suche nach dieser jungen Frau beteiligen. Und so traf es auch mich. Als Zollhundführer bekam ich die Aufgabe übertragen, zusammen mit ZH-Führern aus Groß Grönau und Lübeck-Schlutup das Waldstück zwischen Behaimring (Lübeck-Eichholz) und Lübeck-Schlutup zu „durchkämmen". Nicht auf den Hauptwegen des Waldes (dort suchten Nicht-Hundeführer, auch der Landespolizei), sondern mitten drin. Mein Zollhund ARIE und ich taperten dann mitten zwischen den Bäumen, außerhalb der Wege, durch den Wald… in tiefster Nacht und tiefster Dunkelheit. Mögen doch bitte die Batterien der Taschenlampe „Saft" genug haben und nicht den „Geist" aufgeben, dachte ich. Und so ging es Meter um Meter voran. Die Schatten, die meine „Funzel" warf, waren unheimlich genug. Und so manches Mal meinte ich etwas zu erkennen, das einer aufgehängten Person glich…. ach, es war gruselig! Die Minuten wurden zu Stunden, die Stunden zu „Ewigkeiten". Ich sah nicht nur „Leichen", sondern auch Wildschweine, die es hier doch in größerer Zahl gab. Schweißdurchtränkt beendete ich die Nachtschicht, ohne das gesuchte selbstmordgefährdete Mädel entdeckt zu haben. Ja, ich war am Morgen „fix und fertig". Und was hörte ich dann ein paar Tage später? Dem Mädchen ging es (glücklicherweise) gut; es hatte besagte Nacht bei einer Freundin verbracht und sich dort „ausgeheult"…
Trotz der Tatsache, dass die meisten der von mir zwischen 1983 und 1990 geleisteten Dienste für mich schließlich relativ ruhig verlaufen sind, fand ich die Streifentätigkeiten stets sehr spannend. Man musste jederzeit aufmerksam sein, Augen und Ohren weit offen halten. Ich brauchte kein Radio (dessen Benutzung im Dienst ohnehin verboten war), um mich nachts wach zu halten, dafür hatte ich viel zu großen Respekt: Zum einem vor den Vorgesetzten, die einen oftmals und in unregelmäßigen Zeitabständen aufsuchten (und letztlich kontrollierten) und zum anderen natürlich vor meiner Aufgabe, die eine bestmögliche Erfüllung forderte. Die Anspannung, die ich insbesondere bei den Nachtdiensten verspürte, half mir, die dunklen Stunden gut zu überstehen und die Müdigkeit weitgehend zu unterdrücken. Hatte ich trotzdem mal einen „toten" Punkt erreicht, so war ich sogleich wieder vollkommen fit, wenn ich plötzlich ein Geräusch vernahm. Und davon gab es viele. Welchen „Lärm" ein umher schleichender Igel verursachen kann, das wusste ich bereits im Laufe der ersten Nachtschicht!
Einen gehörigen Schrecken musste ich manches Mal während meiner Postierungen an der Bahnlinie Lübeck-Herrnburg erleben, wenn die Ruhe der Nacht jäh unterbrochen wurde durch eine Rotte Wildschweine, die sich mit fürchterlichem Getöse daran machte, über den Wasser führenden Landgraben nach hüben oder drüben zu wechseln. Obwohl mir klar war, dass ich mich nicht in einer gefährlichen Lage befand, da ich auf einem Hochstand postierte, so pochte das Herz in solchen Momenten doch sehr „hochtourig". Und dann gab es die Begegnungen mit dem wilden Borstenvieh während des Streifenmarsches, meistens auf dem Weg zwischen dem Gasthaus „Waldkrug" und den „Kleinen Schwedenschanzen", wo mein zu überwachender Grenzabschnitt endete. Dieses Zusammentreffen barg immer große Gefahren in sich, besonders in jener Zeit, wo die „Schwarzkittel" Nachwuchs (Frischlinge) dabei hatten. Ein Angriff hätte unter schlimmsten Umständen tödlich ausgehen können.
Auch nicht besonders angenehm war es, wenn Nebel oder andere Bedingungen die eigenen visuellen oder akustischen Wahrnehmungen zum Teil erheblich beeinträchtigten. Ein ausgesprochen schlechtes Gefühl verspürte ich, nachts bei stürmischem Wetter durch den Wald zu gehen. Wären mir Menschen entgegen gekommen, ich hätte sie wohl erst bemerkt, wenn sie direkt vor mir erschienen wären. Es hätte sich auch jemand für mich unhörbar von hinten nähern können, denn das starke Rauschen der sich im Winde bewegenden Blätter/Äste und das Knarren der Baumstämme hätten jegliche Schrittgeräusche übertönt. Hier hieß es, sich ganz auf den Hund zu verlassen.
Und es gab sicherlich auch Schöneres, als bei extremer Kälte / Hitze, starkem Regen oder Gewitter durch die Gegend zu streifen – das ging oftmals ganz schön aufs Gemüt! Selbst eine nur 5-stündige Streife konnte dann zu einer kleinen Ewigkeit mutieren. Ja, es gab Momente, da hatte man die „Schnauze voll" und wünschte, man könnte recht bald wieder heim.
Aber ich erlebte auch sehr viele schöne Tage und Ereignisse - sie bestärkten mich in meiner Auffassung, den richtigen Beruf gewählt zu haben. Dazu zähle ich u.a. die teils sehr anregenden und interessanten Gespräche mit den in- und ausländischen Grenzbesuchern, die meist noch sehr unerfahren waren, was das Thema „Grenze" anbelangte. Wenn diese dann nach einer ausführlichen Grenzeinweisung wieder in Richtung Stadtzentrum gingen oder fuhren und ihr Wissen erweitert hatten, so freute ich mich mit ihnen.
Ja, wir „Grenzer" waren gern gesehen, nicht nur bei den vielen Gästen aus aller Welt, sondern auch bei der hiesigen Grenzbevölkerung. Diese Anwohner wussten die Präsenz des Zolls und BGS sehr zu schätzen, weil ihre Sicherheit durch die vielen Grenzstreifen erheblich erhöht wurde. Und auch mir gelang es hin und wieder, vom rechten Wege Abgekommene auf frischer Tat zu ertappen und diese schließlich der Landespolizei zu übergeben.
Noch kein Zollhund-Führer war ich, als mein damaliger Streifenpartner und ich (beide damals Zollassistenten zur Anstellung) in der Schutzhütte bei der Abschrankung Lübeck-Eichholz postierten. Kurz nach 02.30 Uhr morgens hörten wir es klirren. Wir nahmen unsere Ferngläser und schauten in die Richtung, aus der das Geräusch kam. Und wir sahen zwei Personen, welche eine rund 150 Meter entfernte Telefonzelle beschädigten. Sie zerdepperten die Zelle sowohl von drinnen als auch draußen. Mein Kollege und ich verließen eiligst die Zollhütte und begaben uns im Laufschritt zu den „Bösewichten“. Auf halbem Wege riefen wir den Straftätern „Halt Zoll!“ zu. Unsere Aufforderung wurde jedoch nicht beachtet. Große Mühe hatten wir, den Tätern auf den Fersen zu bleiben. Aber wir schafften es trotz der mitgeführten Ausrüstung, den Abstand zu ihnen zu verkürzen. Sie wollten gerade in einem der Mehrfamilienhäuser im Huntenhorster Weg verschwinden, als wir sie eingeholt hatten. Wohl auch aufgrund der Maschinenpistole, die wir dabei hatten, packte sie die Angst; sie nahmen sofort die Hände hoch und ließen sich von uns widerstandslos festnehmen.
Aber nicht nur in "polizeilicher/grenzpolizeilicher Hinsicht", sondern auch für den Dienst in der Natur konnte ich mich damals begeistern: Morgens den Sonnenaufgang ganz bewusst zu erleben und die vielen Tiere zu beobachten, die hier im „grünen Band" Deutschlands im Schutz des Grenzgebietes ihre Heimat hatten (bzw. immer noch haben), das alles war überaus schön und faszinierend. Ob nun z.B. Fuchs, Dachs, Ringelnatter oder der hübsche Eisvogel: sie konnten hin und wieder ganz aus der Nähe betrachtet werden. Wer sich für Fauna und Flora interessiert, der wurde hier fündig und innerlich tief befriedigt.
So schön die Naturbeobachtung auch ist, so musste sie jedoch sofort beendet werden, wenn die „Lage" es erforderte. Relativ häufig kam es vor, dass unkundige und/oder übermütige (teilweise auch alkoholisierte) Menschen aus der Bundesrepublik die Grenze überschritten und sich auf DDR-Gebiet begaben. Sie mussten mit ihrer Festnahme durch DDR-Grenzsoldaten, insbesondere in Grenznähe befindlichen Grenzaufklärern und einer eventuellen Verurteilung durch ein DDR-Gericht rechnen. Es wurde dann seitens der Zoll- und/oder Bundesgrenzschutzbeamten versucht, diese Personen zur sofortigen Rückkehr auf das Bundesgebiet zu bewegen, wo sie dann nach Überprüfung ihrer Personalien eingehend in den Grenzverlauf eingewiesen wurden, um einen Wiederholungsfall zu vermeiden.
Viel aufregender waren jene Fälle, bei denen es um die Überwindung der Grenze von Ost nach West ging. Meistens haben wir westdeutschen Grenzer nichts von den Bestrebungen dieser DDR-Bürger mitbekommen, da sie in der Regel noch im Hinterland oder dem ca. 5 km tiefen Sperrgebiet von Kräften der Volks- oder Transportpolizei, der Grenztruppen oder ihren freiwilligen Helfern an der erfolgreichen Durchführung ihrer Bemühungen gehindert wurden. Nur ein kleiner Prozentanteil von ihnen schaffte es in den sogenannten „Schutzstreifen", der von westlicher Seite teilweise eingesehen werden konnte. Und die Chance, die Sperranlagen zu überwinden und die letzten Meter bis zur eigentlichen Grenzlinie unverletzt und erfolgreich zurückzulegen, war für diese Menschen ausgesprochen gering. Umso schneller schlug mein Herz, wenn ich Zeuge eines Grenzalarms wurde! Ein solcher ereignete sich meist während der Nachtstunden. Was für eine Aufregung in meinem Innern, wenn ich plötzlich das Ertönen eines Signalhorns hörte und eine rote oder grüne Rundumleuchte signalisierte, dass irgendetwas oder irgendwer den Alarm ausgelöst haben musste. Es dauerte dann auch nicht lange, bis sich eine rege Streifentätigkeit bei der DDR-Grenztruppe entwickelte und ihre Angehörigen alles taten, um einen „Grenzdurchbruch" zu verhindern.
Es gibt Dinge, die brennen sich für immer in die Seele ein – diese damalige Trennlinie zwischen Ost und West hat es bei mir geschafft. In manchem Traum befinde ich wieder an „meiner" Grenze, zusammen mit meinen Schäferhunden ARCO und ARIE. Sie leben längst nicht mehr, sind jedoch auf diese Weise für mich immer noch gegenwärtig. Fühle ich mich bezüglich des Falls des „Eisernen Vorhangs" nun als Gewinner oder Verlierer? Sowohl als auch, lautet meine Antwort. „Verloren" habe ich meinen Traum-Beruf, denn ich bin damals nur wegen des für mich sehr interessanten Dienstes an der Grenze zur DDR zum Zoll gegangen. Es war nicht einfach für mich, den Wegfall meines Aufgabenfelds zu akzeptieren, dafür war ich zu sehr mit dem Herzen bei der Sache. Und so brauchte ich eine längere Zeit, um mich im Hamburger Freihafen zurechtzufinden. Nun waren wieder die Kenntnisse im Zollrecht gefragt - Wissen, das mir im Laufe der vergangenen Jahre abhandengekommen war oder welches ich nun nicht mehr gebrauchen konnte, da sich auf der gesetzlichen Schiene Manches geändert hatte. Ich musste meinen dienstlichen Wissensstand vollkommen erneuern – ein „Upgrade" oder bloßes „Update" (wie man heute im „IT-Zeitalter" zu sagen pflegt) hätte nicht ausgereicht. Dennoch war für mich das neue Tätigkeitsfeld ein ganz anderer Beruf, mit dem ich mich zunächst nicht so recht anfreunden konnte. Ja, ich trauerte der Vergangenheit hinterher. Wahrscheinlich ging es manchen damaligen Berufssoldaten der DDR-Grenztruppen ähnlich; auch von ihnen fielen einige in ein „tiefes Loch", aus dem ein Wiederaufstieg dann gar nicht so einfach war. Es bedurfte schließlich nicht unerheblicher psychischer Kraft, um wieder mit aufrichtiger Freude in den (neuen) Berufsalltag zu starten.
Insofern bin ich ein Gewinner der „Wende", denn ich habe gelernt, dass man sich den Veränderungen stellen und diese meistern muss. Wie wichtig es ist, neue Erfahrungen zu sammeln und sich geistig weiter zu entwickeln, das hat mich jene Zeit nach dem Fall der Grenze gelehrt. Trotz dieser „Erkenntnis" hat mich das Thema „Grenze" bis heute nicht losgelassen. Wenn meine Zeit es erlaubt, kehre ich gerne mal wieder in den ehemaligen Grenzraum zurück und schwelge in Erinnerungen. Dann gehe ich auch dort spazieren, wo einstmals die Soldaten der DDR-Grenztruppen entlang patrouillierten. „Sperrzone" und „Schutzstreifen" gibt es glücklicherweise nicht mehr. Wir alle, welche die Freiheit für eines der wertvollsten Güter im Leben halten, haben durch den Wegfall dieser so unmenschlichen Grenze gewonnen. Und dafür sollten wir immer dankbar sein!
oben: Fotoarbeit "Tod an der Grenze / Mauer - die Opfer klagen an"
BT(v)
Grenzschilder
oben und unten: dieses Schild befand sich am Landgraben im Raum zwischen der Abschrankung Lübeck-Eichholz/Herrnburg und dem Bahnübergang Lübeck-Eichholz/Herrnburg
B-Turm
Im B-Turm
Kühlungsborn
Kühlungsborn
2017
Ich hoffe, dass Ihnen mein Beitrag zum Thema „innerdeutsche Grenze bei Lübeck" gefallen hat. Falls Sie mich kontaktieren möchten, können Sie das über Mailadresse mkrelle@t-online.de tun. Gerne können Sie mich auch anrufen (am besten abends) unter Telefonnummer 015752829387.
Sie möchten noch mehr erfahren / wissen zu diesem Themengebiet? Ich empfehle Ihnen die nachfolgenden Museen / Ausstellungen / Dokumentations-Stätten:
Bundespolizei
oben: Ausstellung auf dem Gelände der Bundespolizeiakademie in Lübeck. Siehe hierzu: http://www.luebeck.de/tourismus/kultur/museen/bundespolizeimuseum/index.html
Grenzhus Schlagsdorf
oben und unten: Die Außenanlage unweit vom Grenzhus Schlagsdorf ist genauso sehenswert wie das Grenzhus selbst. Nähere Infos unter: http://www.grenzhus.de/
Die nachfolgend gezeigten Fotos betreffend Michael Gartenschläger habe ich im Jahr 1986 und Ende Oktober 2018 aufgenommen. Mögen diese Bilder dazu beitragen, an ihn zu erinnern. Nähere Infos finden Sie u.a. auf der Webseite https://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Gartenschl%C3%A4ger
Betreffend Michael Gartenschläger bzw. Gartenschläger-Eck" gibt es ein interessantes Video von Herrn Dieter Schmidt. Siehe https://vimeo.com/255738869
Oben und unten: Fotos, die ich anlässlich eines Treffens ehemaliger Grenzer aus Ost und West (vom 31.05.2019 bis 02.06.2019) im Harz aufgenommen habe.
Drei Annen Hohne
Fahrt zum Brocken
Lok 997232-4
Brennstoff
Lok der HSB
Lok der HSB
Schierke
Fahrt zum Brocken
Brockenbahn
oben: Blick vom Brocken auf den Wurmberg (02.06.2019)
Ilsenburg
Brocken
Brocken
Brocken
Brockenherberge
Bergrettung
Brocken
In der Wetterwarte
Brocken
Brocken
Grenzmuseum Sorge
7.GK Sorge
Die nachfolgend präsentierten zehn Fotos habe ich Mitte der 1980er-Jahre an der innerdeutschen Grenze zwischen Hessen und Thüringen aufgenommen:
oben: Grenzlinie beim Grenzübergang Herleshausen / Wartha. Blick in Richtung DDR
oben: Grenzstein bei der Grenzübergangsstelle Herleshausen unmittelbar südlich der Bundesautobahn
oben: Beobachtungsturm der DDR-Grenztruppen unweit des Grenzübergangs Herleshausen
Lindewerra
Lindewerra
oben: Südhang am Winterberg unweit der Burgruine Hanstein
Burgruine Hanstein
oben: Beobachtungsturm der DDR-Grenztruppen "Schifflersgrund"
oben: Blick von Bad Sooden-Allendorf in Richtung DDR bzw. innerdeutsche Grenze
Neu Bleckede
oben: ehemalige Führungsstelle der DDR-Grenztruppen an der Elbe bei Neu Bleckede
bei Boizenburg
Nachfolgend gezeigte Fotos von der deutsch-niederländischen Grenze sind von mir Ende der 1980er-Jahre anlässlich einer temporären Zugehörigkeit zu einer MZVE (mobile Zollverstärkungs-Einheit) aufgenommen worden:
oben: VW T3 des Zolls beim deutsch-niederländischen Grenzübergang Getelo
oben und unten: Grenzübergang Achterberg / Springbiel
oben: ZOLL am Grenzübergang Achterberg / Springbiel
oben: Grenzübergang Halle /Laagse Paal an der deutsch-niederländischen Grenze
oben: Zollamt Wielen-Vennebrügge
oben und unten: Grenzübergang Bad Bentheim Autobahn
oben: Grenzübergang an deutsch-niederländischer Grenze in Nordhorn Frensdorfer Haar
oben: Schild an deutsch-dänischer Grenze bei der "Schusterkate" im Raum Flensburg